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Geschichten der italienischen Briganten fasziniert war, auch wenn er es historisch nicht
immer allzu genau nahm. Ein Beispiel:
Im Jahr 1806 zitterte ganz Italien, wenn auch nur der Name Fra Diavolo fiel. Dieser Brigant aus Itri verbreitete
Terror vor allem unter der Bevölkerung an den Küsten des Mittelmeers, die zu den Staaten Roms und Neapels
gehörten. Der ehemalige Mönch und ehemalige Sträfling mit seinem von der Sonne gebräunten Gesicht tötete
Seinesgleichen aus Not und aus Spaß, verschonte sie gelegentlich aus einer Laune heraus, und manchmal half
er ihnen in einem plötzlichen Anfall von Güte. Im Übrigen war er der Mutter Gottes und den Heiligen sehr
ergeben. Als Brigant wurde er Konterrevolutionär und hoher Offizier in Kardinal Ruffos Armee und schlachtete
in Neapel aus Ergebenheit für Thron und Altar ziemlich viele Leute ab. Stets lief er mit Amuletten behängt und
bis an die Zähne mit Dolchen bewaffnet herum. Nach zahllosen Aktionen von erstaunlicher Kühnheit und
bemerkenswertem Mut fiel er einer Abteilung Franzosen in die Hände: Er wurde gefangengenommen, zum Tode
verurteilt und gehenkt.[ 11 ]
Der Brigantismus im Gefolge der Einheit Italiens hat also zu einem Teil mit einer
konsolidierten Tradition zu tun, von der ausländische Schriftsteller wegen ihres
abenteuerlichen und pittoresken Anstrichs fasziniert waren. Die Briganten passen im
Übrigen sehr gut ins Bild eines Landes der unmenschlichen Verbrechen, des Verrats, des
Aberglaubens, der Machenschaften, als das Italien weithin angesehen wurde. Ihre Taten
erscheinen als eine Mischung aus Grausamkeit und Selbstjustiz, Autoritarismus und
Anarchie. Die Briganten können also unterschiedslos ein Unrecht wiedergutmachen oder
jemanden seiner Freiheit berauben, und zwar unter Anwendung von Gewalt, die ihre
einzige Legitimation ist; es sei denn, irgendein Herrscher verdingt sie für seine Sache,
zieht ihnen eine Unform an und drückt ihnen eine Flinte in die Hand.
Vor allem Mittel- und Süditalien, von Latium an südwärts, kennt das Phänomen des
Brigantentums im großen Maßstab, das sich auf diese Weise im Sozialverhalten und im
kollektiven Bewusstsein als Keimzelle einer Art von Kriminalität festsetzt, die sich
konsolidieren wird. Hand in Hand mit dem wachsenden Wohlstand ist sie sogar imstande,
das Management einer Parallelökonomie und Schattenwirtschaft zu übernehmen, die in
vielen Fällen der offiziellen überlegen ist. Weiter mit Stendhal:
Ganz Italien ist, gleichzeitig oder nach und nach, von den Briganten heimgesucht worden: Vor allem aber im
Herrschaftsgebiet des Papststaates und im Königreich Neapel haben diese am längsten geschaltet und gewaltet
und dort sind sie auch am methodischsten und zugleich konstantesten vorgegangen. Dort verfügen sie über eine
Organisation, Privilegien und die Gewissheit, straflos auszugehen, und wenn es ihnen nur hinreichend gelingt,
die Regierung einzuschüchtern, steht ihrem Erfolg nichts mehr im Wege. Und deshalb streben sie, solange sie
ihrem ruchlosen Gewerbe nachgehen, nach nichts anderem. Wie in den Zeiten tiefster Barbarei, als die Gewalt
noch die einzige Gebieterin war, die einzige anerkannte Macht. Was ist das nur für eine Regierung, die
gezwungen ist, vor einer Handvoll Verbrechern in die Knie zu gehen? Zwanzig oder dreißig Männer reichen
aus, um im ganzen Land Terror zu verbreiten und alle Carabinieri des Papstes auf Kriegsfuß zu setzen!
 
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