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Einfallsreichtum bis ins Detail die entsetzlichen Folterqualen beschrieben, die die
Verdammten für alle Ewigkeit dort zu gewärtigen hatten. … Gott wurde nicht als der
Heiland präsentiert, als Retter der Menschen, sondern als Geißel der Menschheit. … Die
Christen wurden aufgefordert, ihre Zeit damit zu verbringen, zur Vorbereitung auf das
Leben nach dem Tod über die ewige Verdammnis zu meditieren.»[ 7 ] So perpetuierte sich
die alte Rolle des religiösen Glaubens als Korrektiv für die Leidenschaften. Schon der
griechische Sophist Kritias hatte in einem Satyrspiel die später berühmt gewordene
Theorie vertreten, die Götter seien ausschließlich dazu erfunden worden, um die
Menschen in Schach zu halten. Der griechische Geschichtsschreiber Polybios, ein
Bewunderer des römischen Systems, schrieb: «Nach einem präzisen Plan wurden den
Massen in der Antike die Kenntnisse über die Götter und das Jenseits eingetrichtert.»
Solche Ideen - notierte der Historiker - «halten die sonst unbeherrschbaren Gefühle der
Masse unter Kontrolle». Um zu schließen: «Gedankenlos sind die modernen Menschen, die
diese Illusionen zu zerstreuen versuchen.» Konzeptionen wie diese verloren nach und nach
an Bedeutung, nur an einigen wenigen Orten setzten sie sich fest, darunter Palermo und
Sizilien, als sei hier, um dem allgemeinen Verhalten eine Bremse einzubauen und es im
Gleichgewicht gegenseitiger Toleranz zu halten, eine Extraportion an Ermahnung
notwendig.
Von enormer Bedeutung ist hier die Geschichte der Heiligen Rosalia, der Schutzpatronin
Palermos. Rosalia wurde 1128 in Palermo als Tochter des normannischen Conte Sinibaldo
della Quisquina geboren, der behauptete, ein Nachkomme Karls des Großen zu sein. Ihre
Mutter, Maria Guiscardi, rühmte sich ihrer familiären Bindungen zum normannischen Hof.
Das junge Mädchen, das sehr früh zur Nonne gemacht wurde, hatte es durch die
politischen Wirren der Zeit nach der Hinrichtung des Vaters und der Enteignung der
Familie als Eremitin auf den Monte Pellegrino, den Pilgerberg nahe der Stadt verschlagen.
Dort blieb es in einsamer Meditation bis zu seinem Tode. Rosalia wäre sicher vergessen
worden, wenn nicht Palermo im 17. Jahrhundert, einer Zeit des Unheils, der Hungersnöte
und des Elends, von einer schlimmen Pestepidemie heimgesucht worden wäre.
Irgendjemand, offenbar eine Kranke mit Namen Girolama Gatto, behauptete, im Traum
(oder im Fieberdelirium) ein junges Mädchen gesehen zu haben, das ihr eine Höhle im
 
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