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Steuern zahlen zu müssen. Der Vergleich mit den regionalen Behörden im heutigen Italien,
die genauso kostspielig und überbesetzt sind, drängt sich geradezu auf.
Im Winter 2012 wurde im Museu Nacional de Arte Antiga von Lissabon die Ausstellung
Cuerpos de dolor
(Schmerzenskörper) gezeigt, die sich mit dem Bild des Heiligen in der
iberischen Kultur des 16. Jahrhunderts auseinandersetzte, einer Epoche, die mit ihren
Tribunalen und Scheiterhaufen den Höhepunkt der Gegenreformation bildete. Sie zeigte
schmerzverzerrte Statuen, Symbole grenzenlosen Leids, eine düstere Spiritualität, die in
eindrucksvollen Bildnissen der heiligen Jungfrauen verkörpert ist, in der Strenge von
«Kadavergehorsam». Es ist das extreme Leiden: Francisco de Zurbarán, der große
spanische Maler des 17. Jahrhunderts, wird es in seinen Kreuzigungen abbilden, in denen
dem Körper Christi jede sakrale Stilisierung abhanden kommt, er nur noch Leichnam eines
schmerzverzerrten, ans Kreuz genagelten Exekutierten ist.
Das war die Zeit, als sich in Spanien und den Territorien der spanischen Krone, aber
auch in Rom die heiligen Prozessionen als Brauch durchsetzten, bei denen die
Zurschaustellung eines gemarterten Körpers oder eines Eremiten, der ekstatisch in die
leeren Augenhöhlen eines Totenschädels stiert, zum Instrument der Warnung und
Bekehrung wurde. Seitdem hat die religiöse Theatermaschine Jahr für Jahr die Straßen
sehr vieler Städte des italienischen Mezzogiorno bespielt, wobei sich Palermo als eine der
geeignetsten Bühnen erwies.
Das Leiden der Heiligen und Märtyrer im Gegensatz zu den flüchtigen Verlockungen des
Lebens, die Ermahnung, aber auch die vom Tod ausgehende Erinnerung an die
Sterblichkeit, wie sie selbst in den bunt gezuckerten Süßigkeiten für die Kinder enthalten
ist. Darstellungen und Manifestationen, die das Bild eines strengen Gottes hochhalten, der
gewillt ist, auch den geringsten Verstoß zu ahnden. Nicht nur in Sizilien. Der
Mathematikhistoriker Morris Kline schreibt, dass während des 18. Jahrhunderts «die
Priester behaupteten, nach dem Tod kämen fast alle in die Hölle, und mit großem