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ist im Übrigen über die Jahrhunderte ein absolut gängiges Verfahren gewesen. Die Macht
bedient sich dieser Privilegien, und es ist nicht einmal gesagt, dass sie immer Schaden
anrichten. Giulia Farnese zum Beispiel war mit fünfzehn die Geliebte Papst
Alexanders VI., der selbst achtundfünfzig Jahre alt war. Bei einem ihrer Schäferstündchen
verwendet sie sich beim Papst für ihren Bruder Alessandro Farnese, fünfundzwanzig Jahre
alt. Der Papst macht ihn zum Kardinal. Alessandro wird später unter dem Namen Paul III.
(1468-1549) ebenfalls Papst. Ihm sind verschiedene wichtige Neuerungen zu verdanken:
die Approbation der Jesuiten, die Einberufung des Konzils von Trient, die Einsetzung der
Santa Romana e Universale Inquisizione. Ihm ist auch ein hemmungsloser Nepotismus zu
verdanken, der kurioserweise in Verbindung steht mit dieser und der im Kapitel über
Parma erzählten Geschichte. Zu seinen Protégés gehörte sein illegitimer Sohn Pier Luigi
Farnese, wahrscheinlich sein Erstgeborener, dem er 1545 (im selben Jahr, in dem das
Konzil eröffnet wurde) die Städte Parma und Piacenza als Lehen übergab und sie damit
von den Territorien des Papststaates abtrennte. So entstand das Herzogtum, das für rund
zwei Jahrhunderte unter der Herrschaft der Farnese bleiben sollte. Die weiteren
Entwicklungen werden wir uns später ansehen.
Was für ein Verhältnis hatte Giacomo in Rom zu den Frauen? Ein mühsames, wie sein
ganzes Leben lang. Obwohl er jung war und in jenen Jahren noch nicht so krank, war der
Dichter offenbar keine allzu angenehme Gesellschaft. Er wirkte physisch unattraktiv und
anscheinend strömte er meist einen recht unangenehmen Geruch aus. Um ihn zu lieben,
wäre es nötig gewesen, seinen immensen Geist zu entdecken. So weit kam es aber gar
nicht erst; nicht allzu viele Menschen sind mit ausreichendem Scharfblick ausgestattet und
bereit, sich vom äußeren Schein nicht abschrecken zu lassen. Dementsprechend waren
seine Beziehungen meist käuflicher Art, und selbst diese nicht einfach. Am 6. Dezember
schreibt er an Carlo:
Beim Spaziergang, in der Kirche, auf den Straßen, nirgends findet man ein sei es noch so hässliches
Frauenzimmer, das einen auch nur eines Blickes würdigt. … Ich habe in Rom, in Gesellschaft von jungen, sehr
gut aussehenden und gut angezogenen Leuten, viele Runden gedreht. … Es ist in Rom genauso schwierig, eine
Frau zum Stehenbleiben zu bewegen wie in Recanati, vielleicht noch viel schwieriger, was an der maßlosen
Oberflächlichkeit und Liederlichkeit dieser weibliehen Bestien liegt, die … außer dem Flanieren und dem
Vergnügen um jeden Preis nichts lieben, man kriegt sie einfach nicht rum (das könnt ihr mir glauben), es sei denn
mit den unendlichen Schwierigkeiten, die man auch in den anderen Ländern vorfindet. Das Ganze beschränkt
sich also auf die öffentlichen Mädchen, die ich aber jetzt viel vorsichtiger finde als früher, und auf jeden Fall ist
es gefährlich mit ihnen, wie ihr wisst.
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