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einer der klügsten dazu, wenn er darauf aufmerksam macht, dass die Beschäftigung mit
der klassischen Antike ohne Sprachkenntnisse von vornherein bedeutet, jede echte
Erkenntnismöglichkeit auszuschließen. In diesem Dezember schreibt er an seine
Schwester Paolina:
Die Oberflächlichkeit dieser Kerle überschreitet die Grenzen des Fassbaren. … Heute morgen (um euch nur ein
einziges Beispiel zu geben) habe ich gehört, wie ausführlich und ernsthaft über die vortreffliche Stimme eines
Prälaten geplaudert wurde, der vorgestern die Messe gesungen hat, und über die Würde seiner Körperhaltung
während dieses Amtes. … Der Prälat entgegnete, er habe dies bei seiner langjährigen Assistenz in den Kapellen
gelernt, diese Übung sei ihm sehr nützlich gewesen, dies sei eine notwendige Schule für Seinesgleichen, es sei
ihm kein bisschen peinlich gewesen, und tausend weitere, äußerst geistreiche Dinge. Ich habe dann erfahren,
dass viele Kardinäle und andere Persönlichkeiten ihm zum guten Gelingen dieser gesungenen Messe gratuliert
hätten. Ihr müsst wissen, dass sich die Themen der römischen Gespräche alle auf diesem Niveau bewegen; und
ich übertreibe kein bisschen.
Über das Rom dieser Jahre liegen uns auch Berichte und Erzählungen von ganz anderem
Tenor vor. Stendhal zum Beispiel, der sich sechsmal nach Rom begab, schreibt, dass: «die
Leute von Geist in Rom brillant sind … In ganz Europa kenne ich keine Salons, die denen
Roms vorzuziehen wären.» Wer hatte Recht, Leopardi oder Stendhal? War es vielleicht so,
wie es der Literaturhistoriker Francesco de Sanctis sieht, dass nämlich Giacomos Blick
dem päpstlichen Rom diese dumpfe Kolorierung aufgeprägt hat? Gewiss, Stendhal zeigt
einen Sinn für Humor, der Giacomo ganz und gar abgeht. Er erzählt zum Beispiel die
liebenswürdige Anekdote vom englischen Touristen, der hoch zu Ross ins Kolosseum
reitet, in dem Arbeiter gerade dabei sind, eine Mauer zu reparieren. Am Abend berichtet
er seinen Freunden: «Das Kolosseum ist das Beste, was ich in Rom gesehen habe. Ich mag
dieses Gebäude, wenn es fertig ist, wird es prachtvoll sein.»
Über das Volk von Rom, die «Plebs», die dem römischen Dichter Gioachino Belli so am
Herzen lag, äußert sich Giacomo positiv. Als er zu Tassos Grab und zur Kirche
Sant'Onofrio auf dem Gianicolo hinaufgeht, erlebt Leopardi eine Szenerie, die er in
seinem Brief an Carlo vom 20. Februar 1823 so erzählt:
Schon die Straße, die dorthin führt, stimmt den Geist auf die Gefühlseindrücke ein. Sie ist durchgängig gesäumt
von Häusern, in denen Manufakturen ihren Sitz haben, und erfüllt vom Widerhall der klappernden Webstühle
und anderer Maschinen und vom Gesang der Frauen und Handwerker, die dort arbeiten. In einer
müßiggängerischen, ausschweifenden, planlosen Stadt, wie es die Hauptstädte nun einmal sind, ist es richtig
schön, einmal das Bild eines ruhigen, ordentlichen und mit nützlichen Berufen beschäftigten Lebens zu
betrachten. Auch die Physiognomien und das Benehmen der Leute, die man auf diesem Wege trifft, haben ein
gewisses Etwas an größerer Einfachheit und Menschlichkeit, als was man sonst so trifft; und sie zeigen die
Sitten und den Charakter von Personen, deren Leben sich auf das Wahre und nicht auf das Falsche gründet, die
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