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einer jener Hausherrinnen entwickeln, die mit einem am Gürtel klingelnden Schlüsselbund
im Haus herumlaufen und über den Weinpegel in den Flaschen und die Anzahl der
Käselaibe in der Vorratskammer wachen. Monaldo, der sie gnadenlos jedes Jahr
schwängert, ist sehr bald auf den Status eines «gut behüteten Hausmündels ohne Geld»
geschrumpft. Eine beinahe schaurige Atmosphäre war das im Hause Leopardi. Paolina, die
arme Paolina, nicht schön, von den Eltern kleingehalten, der das deprimierende Schicksal
einer alten Jungfer bestimmt war, sieht ihre Mutter so: «Alles, was ich vom Fenster aus
sehen kann, ist ständig überwacht von meiner Mutter, (die) im ganzen Haus herumläuft,
in alles die Nase hineinsteckt, pausenlos.»
Im Zibaldone zeichnet auch Giacomo ein erschreckendes Bild der Mutter:
Sie hatte kein Mitleid übrig für Eltern, die ihre kleinen Kinder verloren, im Stillen beneidete sie diese sogar
aufrichtig, denn sie waren gefahrlos ins Paradies geflogen und hatten die Eltern von der Last befreit, sie
durchfüttern zu müssen. Als sie mehrfach in Gefahr war, ihre Kinder im gleichen Alter zu verlieren, betete sie
zwar nicht zu Gott, dass er sie sterben lassen möge, denn das erlaubt die Religion nicht, doch freute sie sich von
Herzen … Diese Frau hatte von der Natur einen hochsensiblen Charakter erhalten und war einzig und allein
von der Religion so zugerichtet worden.
Wie also wirkte das Rom Pius' VII. auf Giacomo? In wenigen Worten würde ich sagen: als
weitläufige, in jeder Hinsicht erbärmliche Stadt, kulturell arm, die Salons voll von
zuweilen brillanten, aber schrecklich uninformierten, provinziellen Literaten. Am
9. Dezember schreibt er an den Vater:
Literaten … habe ich wirklich wenige kennengelernt, und diese wenigen haben mir die Lust vergällt, weitere
kennenzulernen. Wenn es nach ihnen geht, ist der Gipfel der menschlichen Weisheit, wenn nicht überhaupt die
einzige Wissenschaft vom Menschen die Altertumswissenschaft. … Philosophie, Moral, Politik, Wissenschaft
vom menschlichen Herzen, Eloquenz, Poesie, Philologie, all dies ist Rom fremd … Das Schöne ist, dass man
keinen einzigen Römer findet, der wirklich des Lateinischen und Griechischen mächtig ist; Sprachen, ohne die
ich nicht sehe, wie das Studium der Antike zu bewerkstelligen sein soll.
Als er dem Bruder Carlo vom Abt Francesco Cancellieri erzählt, einem Gelehrten und
Historiker, beschreibt er ihn so: «Gestern war ich bei [Cancellieri], der ein Vollidiot, ein
Ausbund an Geschwätzigkeit, der langweiligste und hoffnungsloseste Mensch auf Erden
ist; er spricht mit dem größten Eifer über absurd nichtige Dinge, über höchste Dinge
dagegen mit der denkbarsten Kälte.»
Weit mehr als das leere Gerede dieses «Vollidioten» von einem Abt beeindruckt
Giacomos scharfe Wahrnehmung der kulturellen Armut Roms. Es spricht der Philologe,
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