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sogar -, sondern weil unser Geist davon nicht erfasst worden ist oder zumindest, weil aus
den tragischen Umständen niemals eine nachhaltige Erinnerung entsprungen ist.
Es ist nicht gesagt, dass die tragische Veranlagung der Deutschen wirklich eine Qualität
ist, und es ist nicht gesagt, dass die Fähigkeit der Italiener, sich jeder Situation
anzupassen, auch auf die Gefahr hin, von sich selbst ein schwaches, sentimentales oder im
Gegenteil sogar zynisches Bild abzugeben, ein Defekt ist. Es kommt auf den Standpunkt
an, den man wählt: die kategorisch imperative Pflichterfüllung oder die dolcezza del
vivere.
Wo aber diese Haltung, von der ausländische Beobachter immer beeindruckt waren, ja
sich gelegentlich sogar verführen ließen, gefährlich wird, das ist im Krieg. Der Ruf von
Caporetto (vgl. Vorwort, S. 16), der noch heute nachhallt, wenn vom Verhalten der
Italiener im Krieg die Rede ist, hätte nicht so lange überdauert, wenn er nicht auf dem
verbreiteten Vorurteil, sie seien feige, basieren würde. Caporetto könnte man aber El
Alamein 1942 entgegensetzen. Auch das war eine Niederlage, aber von ganz andererer
Art, weil die Italiener dort in Löchern, die sie in den Wüstensand gegraben hatten, fast
ohne Logistik und trotz zahlen- und waffenmäßiger Unterlegenheit gegenüber der 8.
Armee des britischen Generals Montgomery ein heroisches Verhalten an den Tag legten.
Doch die Macht von Gemeinplätzen liegt in ihrer Nichtbeweisbarkeit und
Unüberwindbarkeit. Der deutsche Ex-Kanzler Helmut Schmidt hat bis vor wenigen Jahren
immer wieder behauptet, die italienischen Panzer hätten vier Gänge, wie alle anderen
auch, allerdings einen Vorwärtsgang und drei Rückwärtsgänge. Winston Churchill hat über
den von Mussolini angezettelten, unglückseligen Griechisch-Italienischen Krieg gesagt:
«Das letzte Heer Europas hat das vorletzte geschlagen.» Der englische Kommandant der
Luft- und Marinetruppen der Falklandinseln (span. Malvinas) antwortete jedem, der ihn
um eine Prognose über die bevorstehende Auseinandersetzung mit den Argentiniern bat:
«Wenn sie von Spaniern abstammen, bleiben sie, wenn sie von Italienern abstammen,
fliehen sie.» El Alamein war die Demonstration des Gegenteils, aber das zählt nicht. Noch
am 23. Januar 2012 hat Jan Fleischhauer, der allerdings auch in Deutschland umstrittene
Online-Kolumnist des Wochenmagazins «Der Spiegel», über die Katastrophe vor der
italienischen Insel Giglio geschrieben: «Hand aufs Herz: Hat es irgendjemanden
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