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warf, vertiefte nur noch dessen Düsternis und verlieh den großen, melancholischen Augen einen Ausdruck, der
ans Erschreckende grenzte. Solche Schwermut entsprang aber keinem empfindsamen, verletzten Herzen,
sondern ganz augenscheinlich einer düster brütenden Grausamkeit …, unser Mönch besaß die Gabe, sich auf
das Wesen und die Leidenschaften derjenigen Personen, die er für sich gewinnen wollte, mit erstaunlicher
Leichtigkeit einzustellen, was dann zumeist seinen vollkommenen Triumph zur Folge hatte.
An anderer Stelle heißt es: «Die Augen halb geschlossen, Symptom von Verrat,
gelegentlich Blitze schleudernd.»[ 6 ] Bereits Ende des 18. Jahrhunderts finden wir also in
einem englischen Erfolgsroman das Modell des Italieners als Manipulator und Verräter,
das nicht nur eine bemerkenswerte Literaturkarriere machen sollte, sondern sein Pendant
durchaus auch in der Zeitgeschichte hat. Zum Beispiel im Verrat der Regierungen des
20. Jahrhunderts, etwa als Italien im Ersten Weltkrieg zu Frankreich und Großbritannien
überlief, nachdem es zunächst an der Seite der Mittelmächte gekämpft hatte; oder im
Seitenwechsel während des Zweiten Weltkriegs durch Badoglios
Waffenstillstandsabkommen vom 8. September 1943.
In einer alten Notiz finde ich, ohne Hinweis auf die Quelle allerdings, was ein
englischer Kritiker gegen Ende des 19. Jahrhunderts schrieb: «Die Klöster wirkten wie
subtile sadistische Gefängnisse, die Beichtstühle wie Schlupfwinkel zum Schmieden
geheimnisvoller Komplotte.» Nicht zuletzt aufgrund seiner lärmenden und heidnischen
Religiosität - so haben es die Engländer immer gesehen - wird Italien zum bevorzugten
Schauplatz für Horrorgeschichten, Verschwörungen, Betrug, ruchlose Mörder. Dazu noch
einmal Praz:
Diese Skandale mit ihrer ganzen finsteren Begleitatmosphäre mussten durch die «schwarzen» Romane, für die
Horace Walpole mit Castle of Otranto (1765) die Rezeptur vorgegeben hatte und die Ann Radcliffe gegen Ende
des Jahrhunderts perfektionieren sollte, einfach wieder hochkommen. Dazu wurden auf der Suche nach
möglichst pittoresken Beschreibungen der italienischen Landschaft die Rückkehrer von Italienreisen
ausgeplündert und das elisabethanische Drama nach dem Porträt des finsteren machiavellistischen Italieners
durchforstet.
Ein großer romantischer Dichter wie Percy Bysshe Shelley, ein Mann von höchster
Sensibilität, schrieb in einem seiner Briefe aus Italien: «The people here, though inoffensive
enough, seem both in body & soul a miserable race. The men are hardly men, they look like a
tribe of stupid & shrivelled slaves, & I do not think I have seen a gleam of intelligence in the
countenance of men since I have passed the Alpes.» («Die Leute hier sind zwar ziemlich
harmlos, sie scheinen mir aber in Körper und Geist ein armseliges Volk zu sein. Die
 
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