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Männer, die man kaum als solche bezeichnen kann, kommen einem eher vor wie ein
Rudel dummer, verschrumpelter Sklaven, und ich glaube nicht, dass ich auch nur einen
Hauch von Intelligenz in den Gesichtern der Menschen gesehen habe, seit ich die Alpen
überquert habe.») Und über die Frauen: «The fact is, that first, the Italian woman are perhaps
the most contemptible of all who exist under the moon; the most ignorant, the most disgusting,
the most bigotted, the most filthy.» («Tatsache ist, dass die italienischen Frauen vielleicht die
verachtenswertesten Geschöpfe sind, die unter dem Mond existieren, die ignorantesten,
unappetitlichsten, scheinheiligsten, schmutzigsten.»)[ 7 ] Krasse, überzogene Urteile, selbst
wenn man bedenkt, dass der Autor die erbarmungswürdigen Lebensbedingungen der
Italiener der damaligen Zeit vor Augen hatte.
Der Schweizer Schriftsteller Karl Viktor von Bonstetten, der sich für alle Aspekte der
europäischen Kultur interessierte, schrieb 1824 einen Essay mit dem Titel L'homme du
midi e l'homme du nord (Der Mensch im Süden und im Norden[ 8 ] ). Einer der zentralen
Gedanken darin ist, dass der Mensch des Nordens, den das strenge Klima ins Haus oder
jedenfalls in geschlossene Räume zwingt, offenbar in wesentlich stärkerem Maße zur
Reflexion, zu Ruhe und Ausgeglichenheit neigt und auf kollektiver Ebene dazu, das
gesellschaftliche Leben auf harmonische Weise zu organisieren. Der Mensch des Südens
dagegen, der umgeben von einer gnädigen Natur in einem paradiesischen Klima lebt,
sonnig, mild - im «Land der Sonne», wie es in einem populären neapolitanischen Lied
heißt (Chist' è ‹o paese d› o sole) -, verwandelt sich mit der Zeit in eine «leichte Fliege, die
in den Tag hinein lebt vom Nektar der Blumen, die das von ihr bewohnte Land bedecken».
Aus Bonstettens recht naiver Sicht ist «Süden» alles, was südlich der Alpen liegt,
wodurch der Italiener zu einem Einheitsmodell wird, bei dem soziale Klassen ebenso wie
geografische und berufliche Unterschiede ignoriert werden. Der Schweizer Schriftsteller
teilt also das im 19. Jahrhundert weit verbreitete Vorurteil, wonach Italien ausschließlich
wegen des Klimas, der «Landschaft», seiner faszinierenden «Ruinen» geschätzt wird, die
als Projektionsfläche für eine idealisierte Vergangenheit dienen, wenn sie nicht auf den
«pittoresken Hintergrund» für irgendein Aquarell reduziert werden. Die dort lebenden
Italiener sind nichts als eine anthropologische Größe und werden im Übrigen als lästige
Begleiterscheinung hingenommen, manchmal sogar als Störfaktor in einer
 
 
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