Travel Reference
In-Depth Information
nur dem Bedürfnis folgen, in einem Urteil, so brutal es auch sein mag, eine Menge
ungleichartiger Eindrücke griffig zusammenzufassen. Mario Praz, einer der größten
Anglisten Italiens, berichtet in seinem Essay Scoperta dell'Italia (Entdeckung Italiens), wie
die Italiener gegen Ende des 18. Jahrhunderts von englischen Schriftstellern gesehen
werden:
Die Italiener des Volkes schmutzig, träge und kriminell; die der hohen Klassen arm, unhöflich und im
Allgemeinen Ehebrecher; Plebs und Aristokratie abergläubisch und charakterlos gegenüber den Tyrannen. Die
Venezianer versetzten bei der geringsten Provokation meuchlings Dolchstöße, die Neapolitaner waren von
Natur aus diabolisch und so weiter. Vor allem die Art der religiösen Hingabe der Italiener irritierte die
Engländer dieser Epoche.[ 4 ]
Einhellig berichteten die von der Grand Tour durch Italien nach England zurückgekehrten
Reisenden, die Halbinsel sähe aus wie ein riesiges Ruinenmuseum und sei bevölkert von
bettelarmen, lasterhaften Menschen, die sich lärmend auf den Straßen drängten und dank
des milden Klimas praktisch im Freien lebten, nur mit Lumpen bedeckt oder halbnackt,
ohne die geringste Ahnung von ihrer glanzvollen Vergangenheit. Diese Mischung aus
Faszination und Grauen war typisch vor allem für die Sicht auf die Länder des Papsttums
und des Mezzogiorno, die stets als äußerst armselig beschrieben wurden, bewohnt von
einer hungernden, untätigen Bevölkerung, die sich nur im Umgang mit dem Messer durch
Schnelligkeit auszeichnete.
Eines der spannendsten Beispiele des Genres Schauerroman ist Ann Radcliffes The Italian
or the Confessional of the Black Penitents (Der Italiäner oder Der Beichtstuhl der schwarzen
Büßermönche[ 5 ]), bei dem bereits im Titel die wichtigsten Elemente des Plots
zusammengefasst sind. Die Handlung beginnt 1764 in einem Kloster in der Nähe Neapels,
den düsteren Hintergrund bildet das Tribunal der Inquisition. Die Geschichte dreht sich
um die mysteriöse Figur des Mönchs Schedoni und um zwei unglücklich Liebende, Elena
Rosalba und Vincenzo di Vivaldi. Ingredienzien sind schaurige Abenteuer, undurchsichtige
Verhältnisse, Sünde, Verrat, Verbrechen. Schedoni ist immer schwarz gekleidet, die
Kapuze trägt er tief ins Gesicht gezogen. Ein schauerromantischer Schurke, mit
Mönchskutte und italienischer Nationalität ausgestattet:
Der Unbekannte war in eine Mönchskutte gehüllt, und sein im Dunkel der Nacht ohnehin schon unkenntliches
Gesicht wurde von der Kapuze vollends verborgen … Wie sie ihren Schatten auf die fahle Blässe seines Antlitzes
 
 
Search WWH ::




Custom Search