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von Napoleon halten, was man will - und es fehlt nicht an kritikwürdigen Momenten in
seinem Handeln, auch das eiskalte Kalkül, mit dem er den Österreichern Venedig abtrat,
erzeugt ein verständliches Missfallen -, es war aber Napoleon, der den Juden in Venedig
die Freiheit brachte. Ihm ist es letztlich auch zu verdanken, dass der Prozess der
nationalen Einheit endlich konkret in Gang kam. Der Kanonendonner von Marengo war
ein Weckruf für ein Italien, das seit Jahrhunderten in einen Dornröschenschlaf versunken
war. In Marengo besiegte Napoleon am 14. Juni 1800 die österreichischen Truppen, und
dies war der Auslöser für den Prozess, der dann das Risorgimento hervorbrachte. Das
Königreich Lombardo-Venetien war eine Provinz der Donaumonarchie. Ohne die Schlacht
bei Marengo hätte es 1848 wahrscheinlich die «Fünf Tage von Mailand»[ 23 ] nicht
gegeben, mit denen die Vertreibung der Österreicher aus Italien begann.
Als Kuriosum kann hinzugefügt werden, dass die Schlacht von Marengo einen sehr
unübersichtlichen Verlauf nahm. Fast den ganzen Tag über schien es, als hätten die
Österreicher gesiegt. Dieser Eindruck war so offensichtlich, dass der österreichische
Kommandant, General von Melas, eine Depesche mit der Siegesmeldung nach Wien
schickte. Erst die unerwartete Ankunft des französischen Generals Desaix mit frischen
Truppen ließ den Ausgang der Schlacht plötzlich ins Gegenteil umschlagen.
Hierzu ein kleiner Schlenker zur Verarbeitung des Themas im Melodram, das ja in
Italien immer einen guten Orientierungspunkt abgibt: Mit dem Missverständnis über den
Ausgang der Schlacht bei Marengo spielt die Handlung von Giacomo Puccinis Tosca. Die
Nachricht, dass Napoleon geschlagen ist, verbreitet sich wie ein Lauffeuer und erreicht
Rom. Dort beeilt man sich, zum Dank ein Te deum zu organisieren. Kurze Zeit später
(natürlich in der fiktionalen Zeitebene) trifft die Meldung der Wende ein («Melas è in
fuga» - «Melas ist geflüchtet»), und Cavaradossi kann den berühmten Freudenschrei
anstimmen: «Viktoria! Viktoria! Der siegreiche Tag erscheint, der die Schufte erzittern
lässt! Die Freiheit erhebt sich gegen die Tyrannei!»
So viel zum Melodram, in dem im Übrigen eine gute Dosis Realismus enthalten ist,
wenn man bedenkt, dass der Maler Cavaradossi und seine Freunde eine kleine isolierte
Gruppe von Patrioten in einer trägen und ziemlich feigen Stadt sind. Kehrt man zur realen
Geschichte zurück, ist die Wahrheit vielleicht noch schlimmer: Um Tyranneien zum
 
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