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und sich die Hosen über den Bauch zog, die denkwürdigen Worte: ‹Heute Nacht sind wir
nicht einmal in unseren Betten sicher.)»[ 20 ] Wenige Seiten später folgt die dramatische
Beschreibung der letzten Sitzung des Großen Rates, in der Manin mit einer schmählichen
Rede ohne jeglichen Widerstand sein Amt niederlegte:
Bleich und zitternd erhob sich der Doge vor der Staatsgewalt des Großen Rats, dessen Repräsentant er war und
dem er einen beispiellos schmählichen Vorschlag zu machen wagte. … Ludovico Manin stammelte ein paar
Worte über die Notwendigkeit, diese Bedingungen anzunehmen ohne unnützen, ja aussichtslosen Widerstand,
über die Großmütigkeit des General Bonaparte. Ludovico Manin … entehrte mit seinem Gestammel sich selbst,
den Großen Rat und das Vaterland, und nirgendwo war eine entschlossene Hand, die gewagt hätte, ihm den
Dogenmantel von den Schultern zu reißen, ihm den feigen Schädel auf diesem Boden zu zerschmettern, auf den
die Minister von Königinnen und päpstlichen Legaten den Kopf herabgebeugt hatten.[ 21 ]
Ludovico Manin, der sich mitsamt der venezianischen Regierung so willfährig in die
Entmachtung schickte, ging als der «weinende Doge» in die Geschichte ein. In seiner
Kulturgeschichte Venezia e il suo estuario (Venedig und seine Lagune) von 1926 schließt
Giulio Lorenzetti das Kapitel über das Ende der Serenissima mit diesen trostlosen Worten:
So unehrenhaft endete, ohne das geringste Aufbäumen von Heldentum, zwischen Kleinmut und Feigheit einer
ängstlichen und korrupten Aristokratie und der vergeblichen Illusion von einer fanatischen und törichten
Demokratie, die ruhmreiche Serenissima, «Ornament Italiens und der Welt», deren jahrhundertelange Größe
gewiss ein weniger schmähliches Ende verdient hätte.[ 22 ]
Die Geschichte des Ghettos von Venedig betrifft nicht nur die Juden, sie verweist
vielmehr auf eines der tiefsten und folgenreichsten «Geheimnisse» Italiens, vielleicht
müsste man es aber eher ein unauflösbares «Rätsel» nennen. Gemeint sind die Gründe,
weshalb in der Geschichte der Halbinsel nie einer jener Verträge aufgesetzt und umgesetzt
wurde, die mühsam und Schritt für Schritt, bisweilen auf Kosten von sehr viel Blut, die
Rechte der Individuen verkündet, erweitert, garantiert und gewährleistet haben. Dabei
denke ich an Beispiele anderer Länder - wie den Augsburger Frieden von 1555 oder den
Westfälischen Frieden von 1648 -, in denen Schritt für Schritt zunächst die religiösen und
dann die individuellen Freiheiten anerkannt wurden. Zwar hat es den einen oder anderen
Versuch gegeben, doch handelte es sich dabei um sporadische Einzelfälle, die nach kurzer
Dauer wieder im Keim erstickt wurden: so in Neapel 1799, so in Rom 1849. Man kann
 
 
 
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