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die Brotbäcker … was unsere Alten immer beachtet haben, die uns rieten, die Juden zu
halten, um gegen Zinsen Geld zu verleihen.» Sanudo war der Ansicht, dass es eine unkluge
Anordnung wäre, die Juden zu verjagen, ohne dass an ihre Stelle ein Monte di Pietà träte.
Das Ghetto war aber nicht die einzige von der Serenissima ergriffene Maßnahme. Wenn
die Juden ihr Quartier verließen, mussten sie, auf die Kleidung aufgenäht, als
Erkennungszeichen einen gelben Ring tragen, später ersetzt durch eine ebenfalls gelbe
Kopfbedeckung. Davon ausgenommen waren nur die jüdischen Ärzte, die einen sehr guten
Ruf hatten und eine besondere Rolle spielten, doch nur für eine begrenzte Zeit. Vom
Gründonnerstag bis Ostern mussten die Juden als Zeichen der Reue für ihr Verbrechen an
Christus in ihren Häusern und Wohnungen bleiben, was aber auch wieder eine Art Schutz
gegen mögliche Aggressionen war, die während der Passionszeit hätten hochkochen
können. Der Historiker und Judaist Riccardo Calimani (dem ich sehr viele wertvolle
Informationen verdanke) hat in seinem Buch über die Geschichte des Ghettos von Venedig
außerdem daran erinnert: «Ausländer einzusperren war nicht nur bei den Venezianern
üblich: In Alexandria war es beispielsweise den Venezianern verboten, während der
muslimischen Gebetsstunden oder am Freitag aus dem Haus zu gehen. Und nachts wurden
sie eingesperrt.»[ 8 ]
In Rom wurde die Einrichtung des Ghettos mit großem Interesse zur Kenntnis
gekommen. Papst Carafa, der 1555 unter dem Namen Paul IV. den Thron bestiegen hatte,
dachte sofort daran, dies nachzuahmen. Nur zwei Monate nach seiner Wahl beeilte er
sich, mit einer berühmt gewordenen Bulle Cum nimis absurdum (Es ist völlig absurd), auch
in Rom ein Ghetto zu gründen. Was eigentlich sollte denn so «völlig absurd» sein?
Es ist völlig absurd und im Äußersten unangemessen, dass die Juden, die durch eigene Schuld von Gott zu
ewiger Knechtschaft verdammt wurden, mit der Ausrede, sie seien durch die christliche Liebe beschützt und in
ihrem Zusammenwohnen mitten unter uns toleriert, eine derartige Undankbarkeit gegenüber den Christen an
den Tag legen können, dass sie diese für ihre Barmherzigkeit schmähen und Herrschaft beanspruchen statt
Unterwerfung: Und weil wir erfahren haben, dass in Rom und an anderen der Heiligen Römischen Kirche
unterstellten Orten ihre Unverfrorenheit so weit gediehen ist, dass sie es nicht nur wagen, mitten unter den
Christen zu leben, sondern sogar in der Nähe von Kirchen, ohne die geringste Kennzeichnung der Kleidung, und
dass sie sogar in den Hauptstraßen und -plätzen Häuser mieten, kaufen und Immobilien besitzen,
Hausmädchen, Ammen und andere christliche Dienerschaft einstellen und zahlreiche weitere Missetaten
begehen, zur Schande und zur Verachtung des Christentums, sehen wir uns gezwungen, die folgenden
Maßnahmen zu ergreifen …
An Maßnahmen war vorgesehen: in primis die Einrichtung eines Ghettos und die
 
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