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wahrnehmbaren Leichtindustrie, repräsentiert durch Mode, Design, Architektur,
Fotografie, Graphik. Das war die wichtige, die sichtbare, die strahlende Seite der
Medaille, die aber auch eine andere, entgegengesetzte und weit weniger glänzende hatte,
von der kaum gesprochen wird.
Die Unternehmerklasse Mailands und der Lombardei hat das öffentliche Leben fast
immer gemieden, auch in der Nachkriegszeit, sie hat sich also systematisch aus der
Staatsverwaltung und damit der Interessenvertretung für die Allgemeinheit
herausgehalten. Den Mailänder und norditalienischen Unternehmern ist immer wieder der
Vorwurf gemacht worden, sie hätten sich mit Scheuklappen ausschließlich auf die Jagd
nach dem Profit begeben - sei es nun für die Familie oder das Unternehmen - und dabei
jede Art von Verpflichtung oder Engagement für die Allgemeinheit vermissen lassen.
Italien hat in der Nachkriegszeit, angefangen mit Alcide De Gasperi,[ 6 ] eine ganze Reihe
von brillanten Politikern aus dem Norden hervorgebracht. Seltener dagegen sind
Führungsfiguren der öffentlichen Verwaltung von ähnlicher Statur aus dem Norden
gekommen. Vor solchen und ähnlichen Pflichten haben sich die Unternehmer des Nordens
immer gedrückt. Vollkommen absorbiert von ihren eigenen Geschäften, haben sie die
Geschäfte der Allgemeinheit immer anderen überlassen.
Nach Auffassung Carlo Gallis, Professor für die Geschichte der politischen Theorien an der
Universität Bologna, ist das schwierige Verhältnis zwischen Italien und seinen Eliten nie
vollkommen geklärt worden.[ 7 ] Die führenden Schichten des Landes, einschließlich der
Intellektuellen und Unternehmer, haben sich nur selten und in Ausnahmephasen der
Aufgabe gestellt, die Gesellschaft zu integrieren oder im Interesse der Allgemeinheit zu
operieren. Stattdessen haben sich diese Schichten durch kurzsichtige Verteidigung ihrer
eigenen Privilegien hervorgetan, wenn sie sich nicht gleich zu reinen Lobby-Vereinen
zusammentaten. Die weit zurückliegenden Ursachen für dieses Phänomen diagnostiziert
Galli mit seinem üblichen Scharfblick. Bemerkenswerterweise räumt er zum Beispiel
gründlich mit dem hartnäckigen Vorurteil auf, die sogenannte Zivilgesellschaft sei der
 
 
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