Travel Reference
In-Depth Information
Wir haben es gesehen und können nur feststellen, dass sie Recht hatten. Es ist immer
wieder versucht worden, die Gründe für das schnelle Nachlassen der Dynamik dieser
ersten Nachkriegsjahre zu analysieren, einer Dynamik, die dann nie wieder in Gang kam.
Eine endgültige Erklärung ist nicht gefunden worden, vielleicht weil es keine gibt.
Ich habe von Theater und Film gesprochen, von einem Aspekt, der hochbedeutsam und
doch marginal ist im Hinblick auf das Chaos der Faktoren, die nach dem Krieg zum
Wiederaufschwung und sogar zum Boom beigetragen haben. In einem nie dagewesenen
Maße wuchs die Industrieproduktion und mit ihr sämtliche Aktivitäten, die in das
berühmte Bruttoinlandsprodukt (BIP) einfließen, also den Gesamtwert aller Güter, die in
einer Volkswirtschaft pro Jahr erwirtschaftet werden; dem Index also, der den
Lebensstandard misst und dabei alle positiven und negativen Einflussfaktoren in einen
Topf schmeißt: Wohlstand, Gesundheit, Bildung, Handel, Import-Export, aber auch Auto-
und Arbeitsunfälle, Spekulation und Kriminalität. Alles, was gekauft und verkauft wird,
gehört zum Bruttoinlandsprodukt. Um das Gute vom Schlechten zu trennen, müsste man
eine Auswahl treffen, das würde aber ein politisches und moralisches Urteil implizieren,
das nicht zu den Aufgaben der Ökonomie gehört, weshalb alle wie gebannt auf das
widersprüchliche und zuweilen trügerische BIP starren.
Mailand ist für diese Entwicklung, wie auch immer man sie beurteilen mag, lange Zeit
der Motor gewesen und hat sich durch den Geschäftssinn, die Ordnung und den Fleiß
seiner Bewohner den Titel einer «moralischen Haupstadt» erworben, was heute natürlich,
im Lichte all dessen, was geschehen ist, ein wenig pathetisch klingt. Rom war die Kapitale
der Politik und der Bürokratie, Mailand die eigentliehe Hauptstadt, die Stadt, von der im
Wesentlichen der Lebensstandard des gesamten Landes abhing.
Wenn man Fiat und das dichte Netz der teilweise herausragenden kleinen und mittleren
Betriebe außen vor lässt, die nach und nach auf den Plan traten, akkumulierte sich der
Großteil des Bruttoinlandsproduktes in Mailand oder dank Mailand. Dazu gehören nicht
nur die industriellen Produktionsstätten, auch die Sektoren der bisweilen kaum
Search WWH ::




Custom Search