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anspricht. Dazu noch einmal Strehler: «Das Theater ist zeitgenössisch, auch wenn es die
Klassiker inszeniert, die großen Sterne, die uns auf unserem Weg durch die Geschichte
und die Kunst als Navigationssystem dienen.»[ 3 ]
Es gibt aber noch einen weiteren, ebenso wichtigen Aspekt, der unterstrichen werden
muss. In der Not jener Jahre, in denen das Leben erst allmählich wieder zu so etwas wie
Normalität zurückfand, bringt der Stadtrat von Mailand die Kraft, die Einmütigkeit und
das Geld auf, um den kleinen Saal in der Via Rovello herzurichten und es dem
Stadttheater zu ermöglichen, den Spielbetrieb aufzunehmen. Die Nachricht erscheint am
26. Januar 1947 im «Corriere della Sera». Am 14. Mai wird der Saal eingeweiht, nicht
einmal vier Monate nach der Ortsbesichtigung, in großer Eile, wie bei der Scala.
Grassi und Strehler hatten vor, ihre erste Spielzeit mit einem großen Theaterklassiker des
16. Jahrhunderts zu eröffnen, mit Niccolò Machiavellis La Mandragola (Der Liebestrank).
Diese Komödie in fünf Akten hatte der geniale Erfinder der politischen Wissenschaft 1518
geschrieben. Das an Boccaccio angelehnte Grundmuster ist, wie üblich, der derbe
Schabernack auf Kosten eines allzu gutgläubigen Ehemanns, ein Liebeshandel, wie ihn die
Novellisten der Renaissance in allen Variationen durchexerziert haben. Callimaco brennt
vor Liebe zu Lucrezia, die aber schon mit einem Einfaltspinsel namens Nicia verheiratet
ist. Die Eheleute hätten gern einen Sohn, der sich aber partout nicht einstellen will.
Callimaco gibt sich als direkt aus Paris kommender Arzt aus und behauptet, über ein
Heilmittel zu verfügen: einen Zaubertrank aus Springwurz, der die Frau fruchtbar macht,
den ersten Mann aber, der ihr beiwohnt, tötet. Nicia ist natürlich ratlos, aber Callimaco
hat sofort eine Lösung parat. Seine Empfehlung: sich irgendeinen garzonaccio, einen
hergelaufenen Burschen zu schnappen, ihn mit der Frau zu verkuppeln und ihn sich dann
vom Halse zu schaffen bzw. ins Jenseits zu befördern. Nicia ist Feuer und Flamme,
Lucrezia unwillig, wird aber von ihrem Beichtvater Fra' Timoteo, der mit Callimaco unter
einer Decke steckt, eines Besseren belehrt. Natürlich ist es Callimaco selbst, der sich in
den Burschen verwandelt und mit Lucrezia vergnügt. Gleich nach dem Vollzug gibt er sich
 
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