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zu erkennen und gesteht ihr seine Liebe.
Eine typische Bühnenhandlung, mit der sich die Zuschauer bis ins 19. Jahrhundert
hinein köstlich amüsiert haben und wie sie später eins zu eins von den Filmkomödien
übernommen wurde. Die Figur des gehörnten Ehemanns und der schönen, unbefriedigten,
somit willfährigen Ehefrau war schon in der griechischen Komödie eine unversiegbare
Quelle der Komik, und hätten die Assyrer ein Theater gehabt - was ich nicht weiß -, hätte
es sicher auch bei ihnen ein solches Motiv gegeben. In Mailand dagegen konnte La
Madragola nicht gespielt werden, weil sich die Kirche dagegenstellte. Das Stück galt wegen
der von einem Priester ausgeübten Kupplerrolle als blasphemisch. Was Machiavelli über
die italienische Religiosität dachte, kann man in deutlichen Worten in seinen Werken
nachlesen.
Man wich auf Maxim Gorkis Nachtasyl aus, in dem Strehler selbst die Rolle des
Aljoschka übernahm. Eine Notlösung, die sich als Glücksgriff erwies und zwei positive
Effekte hervorbrachte: Die Inszenierung war epochemachend, und die Wahl des Stückes
markierte eine der Richtungen, die das Piccolo Teatro einschlagen sollte, nämlich die des
sozialen Theaters. Dabei sollten Brechts Werke für Italien zu einer echten Entdeckung
werden. Man kann, glaube ich, ohne Übertreibung sagen, dass Strehlers Brecht-
Inszenierungen weltweit zu den bemerkenswertesten gehören.
Dieses Urteil hat auch einen ganz persönlichen Hintergrund. Ich war kaum älter als
zwanzig, als ich an einem Sonntagnachmittag auf der Via Nazionale in Rom spazieren ging
und am Teatro Eliseo vorbeikam. Auf dem Plakat dort las ich: Schweyk im Zweiten
Weltkrieg von Bertolt Brecht. Ich wusste zwar vage, wer Brecht war, kannte aber Strehler
nicht. Vor allem der Titel machte mich neugierig. Ich kaufte eine Karte für einen Platz auf
der Galerie. Ich glaube, an diesem Tag ist meine Liebe zum Theater entstanden. Ich hatte
keine Vorstellung, mit welcher Kraft eine Inszenierung die beklemmende Idiotie eines
Regimes, in diesem Fall des nazionalsozialistischen Dritten Reiches, beschwören und
gleichzeitig mit einer ironischen Präzision ohnegleichen die bezwingende Tölpelhaftigkeit
eines Mannes darstellen kann, der mehrmals fast an die Wand gestellt wird, dem es
aufgrund seiner Einfalt aber immer wieder gelingt, mit heiler Haut davonzukommen.
Später habe ich entdeckt, dass es in der Literatur und im Kino von solchen Typen nur so
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