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Ihren Sohn hatte sie in Wien zurücklassen müssen; den Vater hatten die Siegermächte
nach der bösen Überraschung von Elba - Napoleons Rückkehr nach Paris, die erneute
Machtübernahme und die «Herrschaft der 100 Tage» - auf eine vulkanische Insel inmitten
des Ozeans verfrachtet, und sie wollten nun nicht riskieren, dass das Kind, wenn es erst
einmal in Parma wäre, zu einer Verlockung für bonapartistische Nostalgien würde. Es war
besser, ihn in Wien zu halten, wo er wie ein österreichischer Erzherzog erzogen und
früher oder später Vater und Mutter, sogar seinen Namen vergessen würde: nicht mehr
Napoleon, sondern Franz, wie der Großvater. Eine Zeitlang hoffte Marie-Louise - wohl
ohne große Überzeugung -, dass dieser Junge seinem Großvater eines Tages auf den
Thron folgen könnte. Rasch musste sie aber die Unmöglichkeit des Projektes einsehen und
sich mit dem zufriedengeben, was ihr die neue Existenz zu bieten hatte - und das war
nicht wenig. De facto führte Neipperg die Regierungsgeschäfte des Herzogtums, in enger
Abstimmung mit Wien, ließ aber zu, dass Marie-Louise offiziell als Inhaberin der Macht
fungierte, die ihr verliehen worden war. Sie war eine aufgeklärte Souveränin, auch weil
Neipperg viel liberalere Positionen vertrat als die in der österreichischen Hauptstadt
vorherrschenden. Die Meinungsverschiedenheiten waren sogar so groß, dass es nicht
selten zu ernsthaften Auseinandersetzungen kam. Was Marie-Louise angeht, so hatte sie,
kaum in Parma angekommen, eine Typhusepidemie zu bekämpfen. Sie wusste der
Situation zu begegnen und zeigte dabei auch persönlichen Einsatz. Es gab fast 500 Tote,
doch wurde die Epidemie innerhalb weniger Monate bezwungen. Ein zweites
Betätigungsfeld fand sie in ihrem großen Engagement für die Frauen. Sie, die während der
Entbindung so furchtbar gelitten hatte, ließ eine neue Klinik für Geburtshilfe und
Gynäkologie eröffnen. Sie legte auch eine gewisse über den Rahmen der üblichen
Regierungstätigkeit hinausgehende Phantasie an den Tag, als 1819 die neue Brücke über
den Taro eingeweiht wurde. Bei dieser Gelegenheit loste man 25 junge ragazze da marito
(heiratsfähige Mädchen) aus, und jedem von ihnen wurde als kleiner Bonus eine Mitgift
von 250 Lire zugesprochen. Wenige Tage später schrieb sie ihrer ehemaligen
Privatlehrerin und Vertrauten Victoria Colloredo:
Das Fest ist herrlich gewesen, schönes Wetter und eine große Zahl von Besuchern, und obwohl ich mich noch
keiner [allzu guten] Gesundheit erfreue, hat es mir sehr gefallen, weil diese Brücke und die andere über den
Trebbia und ein paar Einrichtungen zur Wohltätigkeit die einzigen Monumente sind, die ich hinterlassen will,
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