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zurück: Sind die Diagnosen, von denen sie ausgehen, zutreffend? Jede Antwort ist
hypothetisch und läuft Gefahr, von der nächsten These überholt zu werden. Der
Historiker und Süditalien-Experte Rosario Villari behauptet zum Beispiel in seiner
neuesten, auf langer Archivrecherche basierenden Publikation, die Geschichte Neapels und
des Mezzogiorno sei auch die langsame Inkubation eines Reformprojektes und eines
«Traumes von Freiheit» (Il sogno di libertà ist der Titel seines 2012 erschienenen Buches),
dem es nicht selten gelungen sei, auch die ärmlichsten Schichten der Bevölkerung
miteinzubeziehen. Villari versucht sich hier in einer noblen Auslegung der diversità
meridionale - also der «Andersartigkeit des Südens», für mich ist das aber keine Freiheit,
sondern Anarchie. Im Gesamtergebnis scheinen doch eher Charakteristika den Ausschlag
zu geben, die so sehr vom Rest des Landes abweichen, dass gelegentlich schon von «zwei
Italien» die Rede war. Die Edison-Stiftung hat die Situation vor einiger Zeit so
zusammengefasst:
Den Daten der Eurostat zufolge kann Norditalien pro Kopf ein höheres Bruttoinlandsprodukt für sich
beanspruchen als das von Großbritannien, während Zentralitalien das BIP von Ländern wie Schweden,
Deutschland und Frankreich überholt. … Der Mezzogiorno [dagegen] stellt mit seinen 20,7 Millionen
Einwohnern das größte Niedriglohngebiet Europas dar, vergleichbar mit Griechenland und Portugal zusammen.
Kann ein solches Land trotz ökonomischer Unterschiede von dieser Größenordnung als
«vereint» gelten? Die Antwort ist nicht zwingend negativ. Die Wirtschaftslage ist nicht
alles, es gibt durchaus noch andere Kriterien, die die Italiener des Nordens und die des
Südens der Halbinsel zu einer Schicksalsgemeinschaft machen. Man muss sie nur
aufzuspüren wissen.
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