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für eine gewisse Zeit nahm sein Hof unter den europäischen Höfen eine entsprechende
Stellung ein.
Das Königreich beider Sizilien hatte, wie schon der Name durchblicken lässt, eine
verworrene politische Geschichte. Es umfasste die heutigen Regionen Abruzzen,
Kampanien, Basilikata, Molise, Apulien, Kalabrien, Sizilien, außerdem einen großen Teil
des südlichen Latium (Gaeta-Distrikt). Eine Eigentümlichkeit dieses Dominiums war, dass
König Ferdinand bis zum Wiener Kongress 1815 in Personalunion zwei Kronen trug, als
Ferdinand IV. die von Neapel, als Ferdinand III. die von Palermo. Die zugehörigen
Territorien wurden - dies eine weitere Kuriosität - als «diesseits des Faro» und «jenseits
des Faro» bezeichnet, wobei mit «Faro» der Leuchtturm von Messina an der Nordspitze
Siziliens gemeint war.
Die Insel selbst wurde als Sicilia ulteriore bezeichnet, der kontinentale Teil als Sicilia
citeriore. Zwei Sizilien eben, mit insgesamt zweiundzwanzig Provinzen: fünfzehn auf dem
Festland und sieben auf der Insel. Sie waren in dem kurzlebigen Versuch gebildet worden,
die beiden Kronen und Territorien zu vereinen. Eine endgültige Vereinigung kam aber erst
nach dem Wiener Kongress zustande.
Aus dem ehemaligen Königreich beider Sizilien ist heute der Mezzogiorno geworden,
der am wenigsten entwickelte und problematischste Teil der Halbinsel und Gegenstand
immer neuer Entwicklungsversuche, die selten zum Erfolg geführt haben. Die Literatur zu
diesem Thema, die wissenschaftlichen Untersuchungen, die politischen Initiativen sind
unüberschaubar. Aus dieser Masse an Papier, an Worten, an guten Absichten und
Vorsätzen ragen einige bedeutende Studien heraus, die bei ihrem Erscheinen nicht selten
heftige Polemiken ausgelöst haben.
1958 veröffentlichte der amerikanische Soziologe Edward C. Banfield seinen
bahnbrechenden Essay The Moral Basis of a Backward Society (Die moralischen Grundlagen
einer zurückgebliebenen Gesellschaft). Banfields These zufolge ist das von ihm über lange
Jahre studierte lukanische Dorf vom Phänomen des amoral familism, des «amoralischen
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