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Geschäftsleute. Mit dem erbeuteten Geld kauften sie Waffen und finanzierten
den Kampf im Untergrund.
Eine dieser linken Splittergruppen nannte sich Colina. Unter ihren Kämp-
fern war eine junge Frau, die Jahrzehnte später zur Staatspräsidentin gewählt
wurde: Dilma Vana Rousseff.
Rousseff war die Tochter eines bulgarischen Einwanderers, der es in Belo
Horizonte zu Ansehen und einigem Wohlstand gebracht hatte. Sie begann ein
Studium der Wirtschaftswissenschaften, das sie aber 1967 abbrach, um in den
Untergrund zu gehen. Sie nahm nicht direkt an Überfällen oder Attentaten
teil, aber sie versteckte Geld und Waffen ihrer Kampfgenossen, reiste mit ge-
fälschten Dokumenten, lernte schießen, erteilte ihren Mitkämpfern Lektionen
in Marxismus. Wie viele ihrer Altersgenossen träumte sie von einer Revolution
nach kubanischem Vorbild.
Die Militärherrscher verfolgten die Aufständischen mit brutaler Gewalt. Un-
ter der Herrschaft des Generals Emílio Garrastazu Médici Anfang der 1970er
Jahre eskalierte der schmutzige Krieg gegen die Rebellen. Im Amazonasgebiet
entfesselte die Armee einen regelrechten Vernichtungskrieg gegen die Guerilla:
2500 Soldaten jagten etwa 60 schlecht bewaffnete Rebellen. Sie hatten Order,
alle Guerilleros zu töten; ihre Leichen verscharrten sie im Wald. Dreimal bom-
bardierten sie Guerilla-Stellungen mit dem aus dem Vietnamkrieg berüchtigten
Brandmittel Napalm.
Einer der Offiziere, die den Kampf gegen die Guerilla anführten, war Major
Sebastião de Moura, genannt Major Curió - so heißt ein Vogel in Brasilien, der
wegen seiner melodischen Stimme gern als Singvogel im Käfig gehalten wird.
Der Militär, der in seiner Jugend als Preisboxer gearbeitet hatte, wurde zu einer
Symbolfigur der brasilianischen Militärdiktatur.
Curió reiste Ende der 1960er Jahre im Auftrag der Regierung unter falschem
Namen ins Amazonasgebiet, um Informationen über die Guerilla zu sammeln.
Er war berüchtigt für seine Brutalität: »Gefangene wurden hingerichtet und
dann enthauptet, sie schnitten ihnen noch die Hände ab«, berichtete mir Cri-
meia Schmidt de Almeida, eine der wenigen Überlebenden, bei einem Interview
Ende 2010 in São Paulo.
Anwohner der Region wurden gezwungen, mit den Soldaten zusammenzuar-
beiten; wer sich weigerte, wurde gefoltert oder erschossen. Eine gefangene Re-
bellin richtete Curió mit einem Kopfschuss hin, weil sie sich weigerte, ihren Na-
men preiszugeben.
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