Travel Reference
In-Depth Information
regierenden Militärs den WM-Sieg, um ihr Image aufzupolieren - Pelé und
Konsorten spielten klaglos mit. Das ist glücklicherweise Vergangenheit, Fußball
gilt heute »nur« als schöne Nebensache. Siege werden natürlich gefeiert, aber
die Brasilianer lassen sich nicht mehr wie früher über ihren Volkssport mani-
pulieren.
»Wir wollen nicht Brot und Spiele«, stand auf den Transparenten der De-
monstranten, die im Juni 2013 vor den Stadien aufmarschiert waren. Oder,
noch treffender: »Wenn mein Sohn krank wird, bringe ich ihn ins Stadion« -
eine Anspielung auf den beklagenswerten Zustand der brasilianischen Kran-
kenhäuser.
Nur 45 Prozent der Brasilianer unterstützen die Ausrichtung der WM im ei-
genen Land, ergab eine Umfrage des Instituts Nielsen Sports im August 2013.
Das war eine kalte Dusche für die Regierenden und die Fifa - und für Ex-Präsi-
dent Lula, ohne dessen Unterstützung 2007 kaum die Entscheidung für Brasi-
lien gefallen wäre.
Jetzt rächt es sich, dass die Herrschenden die Kontrolle des brasilianischen
Volkssports jahrzehntelang zwei Männern überlassen haben: João Havelange
und Ricardo Teixeira. Havelange, Sohn eines belgischen Waffenhändlers und
Olympiasieger im Schwimmen von 1936, regierte jahrzehntelang den Weltfuß-
ballverband Fifa. Teixeira, sein einstiger Schwiegersohn und Vater seiner Enke-
lin Joana, beherrschte bis Ende 2012 den brasilianischen Fußballverband CBF.
Beide nutzten ihre Posten, um sich kräftig zu bereichern - bei der Vergabe von
Fernsehrechten kassierten sie Millionen an »Kommission«.
Havelange habe ich erstmals Mitte der 1990er Jahre persönlich erlebt, er
hatte die Auslandskorrespondenten damals zu einem Gespräch in sein Büro im
Zentrum von Rio eingeladen. Im Vorzimmer warteten beflissene Vereinspräsi-
denten und Lobbyisten auf eine Audienz bei dem Sportpaten. Havelange thron-
te am Ende eines langen Konferenztisches vor einem riesigen Ölgemälde seiner
selbst. Als eine junge Korrespondentin der New York Times , die mit dem Um-
gangston des Patriarchen nicht vertraut war, eine kritische Frage stellte, ver-
wies Havelange sie wie ein tropischer Don Corleone mit einer knappen Geste
des Raums.
Sein damaliger Schwiegersohn Teixeira brachte es als CBF-Präsident zum
Multimillionär. Juca Kfouri erhielt bei wichtigen Spielen jahrelang keine Akkre-
ditierung, weil er es gewagt hatte, die Teixeira-Sippschaft zu kritisieren.
Fußballkönig Pelé versuchte als Sportminister unter Präsident Cardoso in
den 1990er Jahren, den Spielern mehr Rechte gegenüber den Vereinen ein-
Search WWH ::




Custom Search