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Malafaia trägt einen eleganten braunen Anzug, seine Haare sind gegelt. Er
ist begnadeter Entertainer und Verkaufstalent, seine Predigt würzt er mit Wit-
zen. Ein Gospelchor begleitet den Pastor, die Liedtexte laufen auf einem riesi-
gen Bildschirm mit. Jede Predigt wird aufgezeichnet und später im Fernsehen
ausgestrahlt.
»Das Einkommen unserer Kirche ist um 450 Prozent gestiegen«, ruft der
Pastor ins Mikrofon. »Amen!« schallt es zurück, die Leute applaudieren. Helfer
in schwarzen Anzügen reichen Umschläge für den »Dízimo« herum, die Kir-
chenspende. Viele zücken die Brieftasche, einige zahlen mit Kreditkarte, die
Kirche stellt eine Quittung aus. Malafaias Anhänger sind überwiegend Aufstei-
ger aus der unteren Mittelschicht, einige lesen die Bibel auf ihrem IPad.
Sein Kirchenimperium leitet Malafia von einem riesigen Neubaukomplex im
Westen Rios; es geht zu wie in einem multinationalen Unternehmen. Die Zu-
fahrt wird von einem privaten Sicherheitsdienst kontrolliert, Kameras überwa-
chen das Gelände. Die Lobby ist mit Marmor getäfelt, schwarze Ledersessel ste-
hen auf flauschigen Teppichen. An der Wand hängt ein Flachbildfernseher, es
läuft eine DVD mit Gospelsongs. Elegant gekleidete Empfangsdamen servieren
Kaffee, Computer klicken, leise rauscht die Klimaanlage.
Eine blonde Gospelsängerin wartet auf einen Studiotermin, Malafaias Kirche
betreibt hier mehrere Fernseh- und Aufnahmestudios. Ein Callcenter mit 250
Kabinen macht Telemarketing für den Gottesmann, in einer Lagehalle beladen
Arbeiter Lastwagen mit Bücherkisten. Über eine Million Bücher und CDs hat
der Pastor bislang verkauft.
Immer öfter mischen sich die evangelischen Kirchen auch in die Politik ein.
Bis zu zwei Millionen Menschen brachten sie allein in São Paulo auf die Straße
- mehr als die Massenproteste vom Juni 2013.
Eine Woche nach den Demos riefen Malafaia und andere Pastoren zur Ge-
genveranstaltung »Marsch für Jesus« in São Paulo auf, eine halbe Million
Evangelikale gingen gegen Abtreibung und Schwulenhochzeit auf die Straße.
Im Kongress setzen sich evangelische Abgeordnete für die »Gay-Heilung« ein -
dieses Gesetzesprojekt soll Psychologen erlauben, Homosexuelle in Heteros zu
verwandeln.
Die Regierung scheut vor einer offenen Konfrontation mit den Evangelikalen
zurück. Präsidentin Dilma Rousseff berief einen evangelischen Kirchenmann
als Minister in ihr Kabinett, er soll die Stimmen der Gläubigen sichern. Der
Bundesstaat Rio de Janeiro wurde jahrelang von einem evangelischen Prediger
regiert. Auch das Idol vieler junger Demonstranten, die ehemalige Umweltmi-
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