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ben keine schnelle Antwort auf die Bedürfnisse der Gläubigen, die Evangeli-
schen sind dynamischer«, sagt die Religionswissenschaftlerin Regina Novaes.
Brasilianische Prediger beherrschen auch den weltweiten Religionsmarkt.
Die »Igreja Universal« des umstrittenen »Bischofs« Edir Macedo und die evan-
gelische Armenkirche »Assambleia de Deus« haben Filialen in Lissabon, Lon-
don, Berlin und Moskau. In Lateinamerika, Afrika und Osteuropa strömen
Zehntausende zu Gottesdiensten brasilianischer Prediger. Edir Macedo füllt mit
seinen Gottesdiensten mühelos das Maracanã-Fußballstadion in Rio de Janei-
ro.
Macedo steht in erbitterter Konkurrenz zur »Assambleia de Deus«, der
zweitgrößten Pfingstgemeinde Lateinamerikas. Beide Kirchen leben vom »Dí-
zimo«, dem »Zehnten«, wie die Kollekte genannt wird. Ihre Pastoren agieren
wie professionelle Drücker: Nach jedem Gottesdienst werden die Gläubigen zur
Kasse gebeten. Aufdringlich wedelt der Pastor der »Assembleia de Deus« wäh-
rend des Gottesdienstes in Botafogo, einem Stadtteil von Rio, mit dem Klingel-
beutel: »Wer kann, gibt 50 Real (ca. 20 Euro)!« Helfer kassieren die Reihen der
Gläubigen ab. »Wer keine 50 Real hat, gibt 20 oder 30 oder zehn oder fünf!«.
Niemand will sich lumpen lassen, die Ärmsten spenden ein oder zwei Real.
Nach dem Gottesdienst steigt der Pastor ins Auto und rast zur nächsten Kir-
chenfiliale. Sein Job ist gut bezahlt: 3500 Real, rund 1300 Euro plus Dienstwa-
gen offeriert eine Kirche als Salär in einer Zeitungsannonce.
Edir Macedo, ein ehemaliger Straßenhändler aus Rio, ist heute vielfacher
Millionär. Er besitzt Villen in den USA, Yachten und ein Privatflugzeug. Seine
monströsen Kirchen, die oft Zehntausende Gläubige fassen, prägen mit ihrer
kitschigen Mixtur aus Marmor und Glas die Architektur brasilianischer Vor-
städte.
Bei den Gläubigen stößt die Geldgier der Kirchenbosse nicht auf Kritik:
Reichtum gilt nicht als Sünde, sondern als erstrebenswert. Religionsexpertin
Novaes: »In den Pfingstgemeinden können auch einfache Leute zu Pastoren
aufsteigen. Ein schönes Auto gilt bei ihnen als Statussymbol.«
Rund 5000 Menschen kommen jeden Sonntag zum Gottesdienst von Pastor
Silas Malafaia, 54. Der Mann mit der goldenen Rolex am Handgelenk leitet die
»Assembleia de Deus Vitória em Cristo«, eine der großen evangelischen Kir-
chen Brasiliens. Er stammt aus einer Predigerfamilie, früher hat er Matratzen
und Bettwäsche verkauft, mit Anfang zwanzig machte er seine eigene Kirche
auf. Heute leitet er ein Imperium von 120 Gotteshäusern, in einem Vorort von
Rio baut er gerade eine neue Halle für 10 000 Leute.
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