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Viele Brasilianerinnen haben einen solchen Pai de Santos. Sie sind die Zere-
monienmeister der Umbanda, der vor allem im Südosten Brasiliens verbreite-
ten Religion der Afrobrasilianer.
Über 60 Prozent der Brasilianer sind offiziell katholisch, doch das schließt
gelegentliches Fremdgehen bei anderen Kirchen nicht aus. Viele Brasilianer
sind gläubig, aber in der Auswahl ihrer Religion sind sie flexibel und pragma-
tisch - man probiert gern mehrere Kirchen aus und bleibt dann bei der, die ei-
nem am besten gefällt. Die katholische Amtskirche konkurriert mit Hunderten
verschiedener evangelischer Gemeinden, afrobrasilianischen Kulten und Spiri-
tisten um die Seelen der Menschen.
Das Verhältnis der Katholiken zu den afrobrasilianischen Religionen ist da-
gegen entspannt. Seit der Sklaverei ist Synkretismus in Brasilien weit verbrei-
tet. Umbanda und Candomblé, der vor allem in Bahía weit verbreitete afrobra-
silianische Götterglaube, existieren problemlos neben dem katholischen Glau-
ben, vor allem in der Umbanda mischen sich katholische Elemente mit afrika-
nischem Geisterglauben. Die Amtskirche drückt beide Augen zu.
Jedem der Orixás, wie die Götter genannt werden, sind eigene Feste gewid-
met, der Pai de Santo spielt den Zeremonienmeister. Meine Hausangestellte
Neusa steht in der Umbanda-Hierarchie ziemlich weit oben, sie fungiert bei den
Festen als rechte Hand des Pai de Santo. Viele Pais de Santo sind homosexuell;
sie sind zumeist von einem Hofstaat von Frauen umgeben, die sich um sie küm-
mern und ihnen bei den Feierlichkeiten zur Hand gehen.
An einem Freitagabend fuhr ich zum »Terreiro«, wie die Feiersäle des Um-
banda heißen, nach Duque de Caxias, einen ärmlichen Vorort von Rio. Das
Haus war hell erleuchtet, die Frauen waren in Weiß gekleidet. Es duftete nach
würzigem Bohneneintopf, Essen gehört zum Ritual der afrobrasilianischen Re-
ligionen wie Geisterbeschwörung und Musik. Mehrere Frauen tanzten zum
Klang der Trommeln im Kreis, sie sangen alte Lieder, irgendwann wurden sie
von unkontrollierten Zuckungen geschüttelt, sie stießen Schreie aus, der Geist
war in sie gefahren. Der Rhythmus der Trommeln steigerte sich, auf einem Ses-
sel thronte der Pai de Santo, er trug ein goldenes Gewand und war mit zahlrei-
chen Ketten behängt. Stundenlang ging das so, dann fielen alle erschöpft über
das Essen in den Tontöpfen her.
Der Pai de Santo bot mir an, mich zu besuchen und mein Haus von bösen
Geistern zu säubern, ich verzichtete dankend auf den Service. Ich vertraute dar-
auf, dass Neusa vorgesorgt hatte: Als sie noch bei mir wohnte, fand ich oft in
versteckten Winkeln des Hauses Spendengaben an diverse Orixas. Als in den
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