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handelte mit der Funai über die Absteckung des Reservats, fuhr zu Protestak-
tionen vor den Kongress in Brasília. Und ganz nebenbei fand er Gefallen an der
Lebensweise der Weißen.
Heute ist Piu-Naçoca reich und dick. Sicher, er trägt noch Federschmuck auf
der Brust, und im Kochtopf hinter seinem Haus köchelt ein Affe vor sich hin.
Aber die meiste Zeit verbringt er in seiner Villa in der Stadt. Zum Jagen fährt
er mit seinem Toyota: »Wir gehen kaum noch zu Fuß, deshalb sind wir so fett«,
sagt er entschuldigend und klopft auf seinen Wanst. Das Blasrohr hat ausge-
dient, die Affen schießt er mit einem Karabiner. Autos, Gewehre und seinen
weißen Chauffeur bezahlt er mit Diamanten.
Die Indios sind die Herren des Geschäfts mit den Edelsteinen. Im Reservat
ist von dem Reichtum jedoch wenig zu spüren. Die meisten Familien wohnen
in einfachen Häusern. Der einzige Gesundheitsposten wurde mangels Geld ge-
schlossen, in der Schule müht sich eine junge Lehrerin, den wenigen Kindern
das Rechnen beizubringen. Jugendliche sieht man kaum: Sie sind in der Stadt,
daddeln in Internetcafés vor Videospielen. »Denen ist es hier zu langweilig«,
klagt Piu-Naçoca.
Stolz zeigt der Kazike Palmpflanzungen, Fischtanks und 800 Rinder, die er
mit den Edelsteinen bezahlt hat. Bewirtschaftet werden die Anlagen allerdings
von Lohnarbeitern, die Indios sehen nur ab und zu nach dem Rechten. »Das ha-
ben wir von den Weißen gelernt«, sagt Piu-Naçoca.
So ist es auch in der Mine, die 40 Kilometer flußaufwärts am Rio Roosevelt
liegt. Die Indianer kassieren einen Anteil von den Garimpeiros, dafür dürfen sie
im Reservat schürfen. Die Arbeitsteilung funktioniert, solange sich beide Seiten
an das Abkommen halten. Doch immer wieder versuchen Garimpeiros, auf ei-
gene Rechnung zu arbeiten. Wen die Indios ertappen, dem nehmen sie Pumpen
und Maschinen ab und zwingen ihn, das Reservat zu verlassen.
Als ein streitsüchtiger Garimpeiro die Arbeiter aufwiegelte, erschlugen die
Indios ihn, alle Zeugen beseitigten sie ebenfalls. »Wir sind ein Kriegervolk«,
sagt Piu-Naçoca. »Wenn man uns bedroht, schlagen wir zurück.«
Für die Weißen gibt der reiche, dicke Häuptling das ideale Feindbild ab.
Bei den Pionieren von Rondônia galten die Ureinwohner schon immer als faul
und verschlagen. »Indios taugen nichts«, wurde mir im Gouverneurspalast der
Hauptstadt Porto Velho ungefragt beschieden. Ökologen und Indianer gelten
als lästige Störenfriede, die dem Fortschritt im Wege stehen.
Dabei hatten sich die Kolonisten eigentlich ganz gut mit den Ureinwohnern
arrangiert. Schließlich sind die Kaziken gute Kunden bei Autohändlern und
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