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Solche Vorfälle schüren den unerklärten Krieg am Rio Javarí. »Ich habe
Angst vor den Indianern«, sagte mir Neuza Juvenal da Silva, 54. Die zierliche
Frau war eine »Ribeirinha«, wie die weißen Bewohner der Flussufer im Amazo-
nasgebiet genannt werden. Am Strand vor ihrer Hütte baute sie Bohnen an.
Als sie sieben Jahre alt war, drangen Indianer in Neuzas Zimmer ein, verprü-
gelten sie und verwüsteten die Hütte. Ihre Eltern arbeiteten auf dem Feld und
bekamen von dem Überfall nichts mit. »Die Indianer sind wie Tiere«, schimpf-
te sie schaudernd. »Wenn man sie nicht zähmt, werden sie zu Bestien.«
Die meisten Ribeirinhos sind arm, sie leben von Fischfang und Wilderei. Sie
verstehen nicht, dass die Regierung den Korubo ein Reservat von der Größe
Portugals zugesprochen hat. »Das ist viel Land für wenige Indianer«, klagte Do-
na Neuza mir gegenüber.
»Der Wald ist alles, was die Korubo haben«, hält Possuelo dagegen. »Wenn
man in dein Haus eindränge, würdest du dich auch wehren.«
Possuelo wollte das Gelände der Korubo markieren, deren Lebensraum si-
chern, und er wusste, er machte sich Feinde damit.
An der strategisch wichtigen Gabelung der Flüsse Ituí und Itacoaí, wo das In-
dianerland beginnt, hat die Funai einen schwimmenden Wachposten errichtet.
Ein Hausboot ist im Fluss vertäut, Boote sichern es nach allen Seiten wie eine
Wagenburg. Am Ufer hat Possuelo einen Mast mit der brasilianischen Flagge
errichtet, Hinweisschilder verbieten die Weiterfahrt. Nachts suchen Wachleute
mit Scheinwerfern den Fluss ab.
In den Dörfern der Gegend fürchten sie den »Alten«, wie sie Possuelo nen-
nen. Er hat Polizeigewalt im Indianergebiet, kein Mitarbeiter verlässt den Pos-
ten ohne Schusswaffe. Possuelo hat Todesdrohungen erhalten, auch seine Leute
wurden von den Siedlern der Gegend angefeindet. Den Bürgermeister der
nächstgelegenen Stadt ließ er festnehmen, weil der im Indianergebiet Warnta-
feln niederreißen ließ. Gegen einen Kongressabgeordneten, der seine Mitarbei-
ter bedroht hatte, erstattete er Anzeige. Wenige Jahre vor meinem Besuch ent-
deckte er zwei Landepisten von Drogenhändlern im Korubo-Gebiet.
Sein einsamer Kampf hat Possuelo verbittern lassen. Er ist unduldsam und
aufbrausend, Widerspruch erträgt er nicht. Unruhig wie ein gefangener Tiger
lief er auf dem Funai-Floß auf und ab, wenn er nicht bei den Indianern war. Er
schlürfte literweise süßen schwarzen Kaffee, ein Magengeschwür hatte er sich
bereits eingehandelt. Drei Ehen waren zerbrochen, seine fünf Kinder wuchsen
bei verschiedenen Müttern auf. »Keine Frau hält so was auf Dauer aus«, sagte
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