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er. Aber hinter der ruppigen Fassade steckte ein Romantiker. Stundenlang sang
er Boleros, wenn er bei Laune war.
Als Abenteurer, nicht als Helfer war er einst in den Busch gezogen. »Die In-
dianer waren mir damals gleichgültig«, gab er zu. In São Paulo ist er aufgewach-
sen, der Vater war Wanderschauspieler, der Sohn verschlang die Reiseberichte
der »Sertanistas«, der »Waldläufer«, die einst das Riesenland erschlossen. Er
wurde Spezialist für Verfahrenstechnik in einer Fabrik, aber in Gedanken zog er
durch das Amazonasgebiet.
Ende der 1950er Jahre suchte er die Gebrüder Villas Bôas auf, Brasiliens be-
kannteste Sertanistas. Der junge Possuelo bedrängte sie, bis sie ihn auf eine Ex-
pedition nach Mato Grosso mitnahmen. Orlando Villas Bôas hatte Brasiliens
ersten Nationalpark am Rio Xingu begründet, Possuelo wurde zum ersten Di-
rektor ernannt.
Monatelang lebte er unter Indianern. Seine einzigen Begleiter waren ein
Hund, ein zahmes Tapir und ein Gürteltier, das er im Käfig hielt. Als er Hunger
litt, schlachtete er das Tapir und aß es auf. 36 Malariaanfälle hat er überstan-
den, zweimal wurde er von Jaguaren angegriffen, in den 1980er Jahren hatte er
23 Tage als Geisel der Indianer überlebt - damals stritten sie sich mit der Regie-
rung um die Kontrolle über ein Flussufer, Possuelo sollte den Konflikt schlich-
ten. »Meine Begleiter machten sich vor Angst in die Hosen, aber ich habe mich
amüsiert«, erzählt er. »Die Indianer sind meine Freunde. Sie hätten mir nichts
getan.«
1991 ernannte ihn Staatspräsident Fernando Collor zum obersten Chef der
Funai, er sollte diese verfilzte, korrupte Behörde renovieren, sollte verhindern,
dass sich Mitarbeiter von Holzkonzernen bestechen ließen und sich mit Wilde-
rern verbündeten. Possuelo wollte Ernst machen mit der Einrichtung von Re-
servaten, die die Verfassung von 1988 versprach. In seiner Zeit als Funai-Präsi-
dent ließ er die Pisten der Goldsucher im Yanomami-Gebiet in die Luft spren-
gen und markierte das erste Indianerreservat.
Intern bekämpfte er die überbordende Bürokratie und die korrupten Funk-
tionäre. Doch das System war stärker. Als Collors Nachfolger 1993 einen politi-
schen Freund an die Spitze der Funai hieven wollte, trat Possuelo zurück.
Als Leiter der Abteilung für isolierte Indianer betreute er anschließend sie-
ben Konfliktregionen, die meisten im Amazonasgebiet. Sein Büro in Brasília sah
er kaum, die meiste Zeit war er im Busch unterwegs.
Bei der Navigation bediente er sich hochmoderner Satelliten- Ortungssyste-
me. Ohne technische Hilfsmittel wäre die gefährliche Arbeit kaum zu bewälti-
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