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Erst Possuelo gelang es, friedlich Kontakt aufzunehmen. Und er hielt diesen
Kontakt damals auch nur deswegen für gerechtfertigt, weil es die Konflikte gibt:
weil er das Territorium der Korubo schützen wollte, »weil Leben auf dem Spiel
stehen«, sagte er. Sechs Monate lang hatte er seinen Vorstoß vorbereitet. Matís-
Indianer, die eine ähnliche Sprache sprechen wie die Korubo, dienten ihm als
Kundschafter.
Bei seiner ersten Expedition stieß er auf ein verlassenes Dorf. Sechsmal kehr-
te er in die Siedlung zurück und hinterlegte Töpfe und Messer als Geschenke.
Die Gaben verschwanden, doch die Bewohner ließen sich nicht blicken. Beim
siebten Besuch sah er zwei Indianer auf einem Maisfeld. Spontan stimmte er
das Volkslied »Mulher rendeira« an: »Singen signalisiert friedliche Absichten.
Die Indianer glauben, dass nur Feinde sich lautlos nähern.«
Wer Bewaffneten begegnet, die noch nie mit der Außenwelt Kontakt hatten,
muss sich auf eindeutige Signale verstehen. Eine unbedachte Geste, ein falsch
intoniertes Wort können das Leben kosten. Nie lässt sich vorhersagen, wie das
Gegenüber reagiert.
Die Korubo-Gruppe, zu der Possuelo Verbindung hatte, besteht aus 18 In-
dianern. Zwölf Jahre vor seinem Besuch, so erfuhr er mit Hilfe der Matís, hatte
sie sich von der Hauptgemeinschaft getrennt. Ihr Anführer Xixú war mit Maiá
durchgebrannt, der Frau eines Stammesgenossen.
Das Hauptdorf, in dem schätzungsweise 300 Indianer leben, liegt etwa hun-
dert Kilometer tief im Busch. Possuelo hat es nie aufgesucht, weil diese Indianer
noch nicht durch Abgesandte der Zivilisation bedroht werden. Mehr als 50
Stämme gibt es noch, nach Schätzung der Funai, die so leben wie vor 500 Jah-
ren, bevor die Weißen kamen. Die will er in Ruhe lassen. Es war schwierig ge-
nug, die Verbindung zu den Abtrünnigen zu pflegen.
Nur wenige Monate nach dem ersten Kontakt töteten Korubo den Funai-An-
gestellten Sobral Magalhães, einen engen Mitarbeiter Possuelos. Das Motiv ist
bis heute unklar. Angeblich hatte er versucht, die Indianer zu fotografieren. Ei-
ner von ihnen zerschmetterte ihm mit einem Knüppel den Schädel, den Leich-
nam ließen sie am Ufer zurück.
Jetzt sitzt der Mörder am Herdfeuer und lacht freundlich. Wenn die Matís
ihn auf den Vorfall ansprechen, lenkt er ab. Dafür zeigt er bereitwillig die Ein-
schüsse von Schrotkugeln, die weiße Eindringlinge ihm verpasst haben. Possue-
lo hatte damals den Sarg ausfliegen lassen; er trauerte um seinen Mitarbeiter,
aber er nahm auch die Indianer in Schutz: »Wahrscheinlich haben sie eine Ges-
te falsch interpretiert.«
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