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In illegalen Sägewerken am Stadtrand werden die Stämme zu Brettern verar-
beitet, die Reste verfaulen im Schlamm. »Das Holz wird mit gefälschten Papie-
ren ausgestattet und in den Süden transportiert«, sagt Nilcilene. In der Millio-
nenmetropole São Paulo enden die Urwaldriesen als Bauholz.
Amnesty International hat eine weltweite Kampagne für Nilcilene gestartet.
Sie träumt von ihrer Rückkehr, so oft wie möglich telefoniert sie mit ihren Mit-
streitern im Urwald. Aber die raten ihr ab - sie können nicht für ihr Leben ga-
rantieren.
Auch Erwin Kräutler, der Bischof der Amazonasstadt Altamira, geht nicht oh-
ne Leibwächter vor die Tür.
Die beiden Männer mischen sich unauffällig unter die Gläubigen, als Kräutler
in der Kathedrale die Messe liest. Sie sitzen im Nebenzimmer, als er vor Grund-
schullehrerinnen über das Thema »Vergebung« referiert. Und sie traben
schnaufend neben ihm, als er morgens um fünf im Trainingsanzug durch Alta-
mira läuft. Ihre Hemden tragen sie über der Hose, damit man die Pistolen am
Gürtel nicht sieht. Aber ihre bullige Statur und der wachsame Blick verraten sie
als Polizisten.
Eigentlich sollte der Bischof bei öffentlichen Auftritten eine kugelsichere Wes-
te unter seinem Gewand tragen. Aber er streifte sie nur dreimal über, als er die
Messe unter freiem Himmel las, dann gab er sie zurück. »Bei Regen saugt sich
das Ding voll, man kann sich kaum bewegen.«
Auch gegen die Leibwächter hatte er anfangs protestiert, aber der Polizeichef
bestand auf der Eskorte. Die Behörden wollen sich nicht vorhalten lassen, dass
sie den Schutz des Bischofs vernachlässigen. »Dom Erwin überlebt den 29. No-
vember nicht«, hatte ein Unbekannter im Internet angekündigt.
Selten sind die Morddrohungen so konkret. Meistens lassen seine Feinde ihm
die Nachricht über Dritte zukommen: Während der Prozession flüstert jemand
einem Vertrauten des Bischofs zu, dass es besser sei, wenn Dom Erwin aus Al-
tamira verschwinde. Oder jemand ruft im Bischofsamt an und sagt, dass der Bi-
schof »eliminiert werden muss«.
Einmal hinterließ ein Unbekannter nach der Messe Revolverkugeln vom Ka-
liber 38 in der Kirchenbank. Das war eine unmissverständliche Warnung: Dom
Erwin Kräutler, 73, gebürtiger Österreicher aus Koblach in Vorarlberg, steht auf
der Todesliste der Pistoleiros von Altamira ganz oben.
Dutzende Geistliche im Amazonasgebiet haben Morddrohungen erhalten,
weil sie gegen Korruption und Sklavenarbeit kämpfen. Dass die Drohungen ernst
zu nehmen sind, bewies der Mord an der amerikanischen Nonne Dorothy Stang
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