Travel Reference
In-Depth Information
Brasilien zahlt einen hohen Preis für den neuen Wohlstand. Weite Teile von
Mato Grosso gleichen einer grünen Wüste, Pestizide verseuchen die Flüsse und
das Schwemmgebiet Pantanal, ein Tierparadies an der Grenze zu Paraguay und
Bolivien. In der Trockenzeit von August bis November liegt Cuiabá, die Haupt-
stadt von Mato Grosso, unter einer Rauchglocke. Viele Farmer fackeln trotz
Verbots den Urwald ab, um neues Weideland oder Äcker für den Sojaanbau zu
gewinnen.
Die Verlierer des Sojabooms stehen bereits fest: Es sind die Kleinbauern, die
bislang von ihrer Scholle lebten.
In Santarem sind Hunderte von Kleinbauern arbeitslos geworden, nachdem
sie ihre Felder an die Sojafarmer verkauft hatten. Das Geld war rasch ver-
braucht, jetzt hausen die meisten in den Elendsvierteln der Städte. Die Sojain-
dustrie schafft kaum Arbeitsplätze, und die Armen wissen nur als Bauern und
Fischer zu überleben.
Der Gewerkschaftsführerin Ivete Bastos kommen die Tränen, wenn sie an
den Sojaplantagen bei Santarem vorbeifährt. Großgrundbesitzer haben sie
mehrmals bedroht, einmal versuchten Auftragskiller, sie mit Benzin zu über-
schütten und anzuzünden. Seither wird sie auf Schritt und Tritt von einem Poli-
zisten begleitet. »Soja ist eine Kultur des Todes«, sagt sie. Frauen wie Ivete Bas-
tos sind die wahren Heldinnen Brasiliens.
Vor dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro im Juni 2012 habe ich eine dieser
tapferen Kämpferinnen, nämlich Nilcilene Miguel de Lima, besucht.
Ihre kugelsichere Weste hat sie abgelegt; die Elitesoldaten, die sie sechs Mo-
nate lang rund um die Uhr bewachten, hat die Regierung abgezogen. Dafür
musste Nilcilene Miguel de Lima, 45, den Behörden versprechen, dass sie ihren
Aufenthaltsort geheim hält und nicht in ihre Heimat im Amazonasurwald zu-
rückkehrt. Denn dort wartet ein Auftragskiller auf sie.
Umgerechnet 8000 Euro hat eine Mafia aus Holzhändlern und Rinderzüch-
tern auf ihren Kopf ausgesetzt: Sie hatte es gewagt, die illegale Abholzung an-
zuzeigen und die Rechte der Kleinbauern und Gummizapfer einzuklagen, die
sie vertritt. Nilcilene ist Präsidentin der Gemeinde »Deus Proverá« im Süden
des Bundesstaats Amazonas, der jüngsten Front des Kriegs zwischen Farmern,
Holzfällern und Umweltschützern im brasilianischen Amazonasgebiet.
300 Familien hatte die Regierung 2007 im Urwald angesiedelt, sie betreiben
eines von 21 Projekten zur nachhaltigen Bewirtschaftung des Amazonasgebiets.
Die Bauern zapfen Kautschuk aus Gummibäumen, sammeln Paranüsse und
bauen Ananas, Bananen und Maniok an. »Wir sind die Wächter des Waldes«,
Search WWH ::




Custom Search