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Baron von Ketteler und der ›Boxer-
aufstand‹ - Geschichtskorrektur
Nur wenige politische Ereignisse des
kaiserlichen China schlugen im Aus-
land so hohe Wellen und erlangten
einen solchen Bekanntheitsgrad
wie der ›Boxeraufstand‹ und die
damit einhergehende angebliche
Belagerung des Gesandtschaftsvier-
tels - eine Posse, in der kaum jemand
eine gute Figur machte.
brecher, die nun Hohn und Spott über
ihre Verfolger ausschütteten. Dies
brachte das Fass zum Überlaufen. In
den Provinzen Shandong und Jiangxi
kam es zu blutigen Ausschreitungen ge-
gen kirchliche Einrichtungen, Missio-
nare und chinesische Christen.
Rache für das Deutsche
Reich
Geisterboxer versus
Christen
Besonders hatten es die Aufständischen
auf den deutschen Priester Georg Stenz,
einen extrem aggressiven Missionar, ab-
gesehen, aber statt seiner wurden ver-
sehentlich zwei andere deutsche Mis-
sionare ermordet. Das reichte aus, um
eine internationale Krise heraufzube-
schwören. Der damalige deutsche Ge-
sandte, Baron von Heyking, sah nun-
mehr dank der ›Boxer‹ die Chance ge-
kommen, seinem Vaterland Ruhm und
Konzessionen in China zu verschaffen.
Auf seine Initiative hin entsandte Kaiser
Wilhelm II. mit internationaler Rücken-
deckung ein Flottengeschwader, und
schon wenig später erhielt Deutschland
- quasi als Entschädigung für die Folgen
des Aufstands - Jiaozhou und Qingdao
als Konzessionsgebiete für 99 Jahre.
Der ›Boxeraufstand‹ fand zunächst in
weiter Ferne, in der Provinz Shandong,
statt. Dort hatten sich Tausende von un-
zufriedenen und völlig verarmten Bau-
ern einer Bewegung von sogenannten
Geisterboxern angeschlossen, die sich
für unverwundbar hielten. Sie führten
einen blutigen Rachefeldzug gegen die
christlichen Konvertiten, denen sie die
Schuld an ihrem Elend gaben. Aggres-
siv, ignorant und intolerant boten die
christlichen Kirchen, die dank ausländi-
schen Drucks unter kaiserlicher Protek-
tion standen, Opportunisten, Gesindel
und Dieben, ja ganzen Verbrecherban-
den Schutz, wenn sie nur zum Christen-
tum übertraten. Am schändlichsten war
die Konversion von über 3000 Rechts-
brechern aus der Gefolgschaft des be-
rüchtigten Reisherrn Yue II., nachdem
dieser gefangen genommen und hin-
gerichtet worden war. Erfreut über so
viele neue Schäfchen, nutzte die Kirche
ihren Einfluss zum Schutz dieser Ver-
Von Ketteler jagt ›Boxer‹
Andererseits wollte in Beijing die erz-
konservative Fraktion der ›Eisenhüte‹
in völliger Fehleinschätzung die ›Bo-
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