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unweit des Grossmünster verschlagen:
1836 zog der politische Flüchtling und
Privatdozent Georg Büchner (1813-
1837) dort ein, starb jedoch schon im
Jahr darauf an Typhus. Sein einsames
Grab befindet sich nahe der Bergsta-
tion der Rigiblickbahn in der Kratten-
turmstrasse am Zürichberg. Der andere
Spiegelgassenbewohner war W. I. Lenin
(1870-1924), der im Februar 1917 für
einige Zeit hier Unterschlupf fand, wie
eine Gedenktafel erzählt. Ehe er in Russ-
land als Revolutionär agierte, beendete
Lenin in Zürich sein in Bern begonne-
nes Werk „Der Imperialismus als höchs-
tes Stadium des Kapitalismus“.
Wie Max Frisch in seinem Tagebuch
vermerkt, wäre Lenin bei einem seiner
Spaziergänge an der Spiegelgasse dem
Schweizer Autor Robert Walser (1878-
1956) begegnet. Dieser habe nur eine
Frage an Lenin gerichtet, indem er wis-
sen wollte, ob Lenin das Glarner Birn-
brot auch so gern habe. Die skurril an-
mutende Szene würde zur sperrigen Fi-
gur Walsers passen, der in vielen Gassen
Zürichs wohnte, an mehreren Stellen als
Hilfskraft arbeitete und das letzte Drit-
tel seines zerbrochenen Lebens in einer
Heilanstalt verbrachte.
Unmittelbare Hinweise auf Zürich fin-
den sich in Elias Canettis „Die gerette-
te Zunge“, einem autobiografischen Ro-
man, in dem der Dichter schildert, dass
er die glücklichsten Jahre seiner Ju-
gend in Zürich verbracht habe. Im Al-
ter wohnte Canetti (1905-1994) in Lon-
don und in der Zürcher Klosbachstrasse.
Seine enge Verbindung zur Stadt brach-
te er auch mit seinem Testament zum Aus-
druck, in dem er seinen Nachlass und sei-
ne Privatbibliothek der Zürcher Zentralbi-
bliothek vermachte. Der große Romancier
wurde in einem Ehrengrab der Stadt Zü-
rich im Friedhof Fluntern bestattet, jenem
Ort, an dem auch James Joyce (1882-
1941) seine letzte Ruhestätte fand.
Joyce lebte zwischen 1915 und 1920 in
Zürich und schrieb hier große Teile seines
„Ulysses“. In „Finnegans Wake“ verewig-
te er verballhornend verschiedene Zürcher
Lokalitäten: So versteckt sich hinter „sil-
ly post“ die Sihlpost, „The Neederthorpe“
meint das Niederdorf und „The Belle for
Sexloitez“ verweist auf den Brauch des so-
genannten Sechseläutens (vgl. „Zur rich-
tigen Zeit am richtigen Ort“). Joyce war
wie Stefan Zweig, Franz Werfel und die
Schweizer Autoren Stammgast im Café
Odeon (s. S. 50) nahe der Kronenhalle, zu
deren Wirtin Hulda Zumsteg er und seine
Frau Nora ein besonders vertrauensvolles
Verhältnis hatten.
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