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Grosse dichter in Zürich
Zürich ist nicht nur eine Stadt der Ban-
ken, des Geldes und der gehobenen Le-
bensart. Zugleich ist die Wirtschaftsme-
tropole seit Jahrhunderten ein wichtiges
kulturelles Zentrum im deutschspra-
chigen Raum, von dem schon früh eine
große Anziehungskraft auf Künstler aus-
ging.
Bereits im 14. Jh. war Zürich ein Zent-
rum des Minnesangs. Mit Gottfried Kel-
ler (1819-1890) und Conrad Ferdinand
Meyer (1825-1898) hat die Stadt zwei der
größten Schweizer Dichter des 19. Jahr-
hunderts hervorgebracht. Keller, der Au-
tor der „Züricher Novellen“, wurde in Zü-
rich geboren und wuchs in den Gassen
um den Rindermarkt auf, wo mehrere Ge-
denktafeln an ihn erinnern. Ab 1861 ar-
beitete Gottfried Keller als Staatsschreiber
des Kantons Zürich, sodass er nach Jah-
ren der Entbehrung und Unproduktivität
endlich materielle Unabhängigkeit erlang-
te. Der große Erzähler liebte den Zürich-
see und setzte ihm in seinem Hauptwerk
„Der grüne Heinrich“ ein literarisches
Denkmal. Am Mythenquai befindet sich -
mit Blick zum See - eine mächtige Büste
Kellers, der auf dem Friedhof Sihlfeld sei-
ne letzte Ruhestätte fand. Sein Zeitgenos-
se C. F. Meyer, auf den der historische Ro-
man „Jürg Jenatsch“ zurückgeht, verließ
Zürich und siedelte sich zunächst in Küs-
nacht, schließlich in Kilchberg an, wo er
in geistiger Umnachtung starb.
Auch die beiden Riesen unter den
Schweizer Schriftstellern des 20. Jahrhun-
derts, Max Frisch (1911-1991) und Fried-
rich Dürrenmatt (1921-1990), hatten ein
enges Verhältnis zu Zürich. Frisch, gebür-
tiger Zürcher, studierte hier, war bei der
Neuen Zürcher Zeitung als freier Mitar-
beiter tätig und schrieb seit den 1940er-
Jahren regelmäßig Stücke für das Schau-
spielhaus seiner Heimatstadt. Trotz zahl-
reicher Reisen und Auslandsaufenthalte
blieb der Autor von „Stiller“, „Homo fa-
ber“ und „Andorra“ Zürcher und hat in
seinen jungen Jahren als Architekt der
Stadt sogar ein sehenswertes Freibad hin-
terlassen.
Auch das Werk des Berners Friedrich
Dürrenmatt ist Zürich verpflichtet. Die
meisten seiner berühmten Theaterstü-
cke wie „Der Besuch der alten Dame“
und „Die Physiker“ wurden ebenfalls am
Schauspielhaus uraufgeführt und begrün-
deten Dürrenmatts Ruhm. Die beiden be-
freundeten Dichterkollegen waren regel-
mäßige Gäste in der legendären Kronen-
halle (s. S. 38), wo auch Gerhard Haupt-
mann, Carl Zuckmayer, Alfred Polgar und
viele weitere Künstler einkehrten. Nur we-
nige Hundert Meter vom Schauspielhaus
entfernt war die Kronenhalle ein belieb-
ter Treffpunkt von Theaterleuten. Auch
Frischs Vertrauten Bertolt Brecht (1898-
1956), der 1947/48 in Zürich wohnte,
sah man hier bei Mahlzeit und Gespräch.
Nicht an deutschen Bühnen, sondern
gleichfalls im hiesigen Schauspielhaus
wurden seine „Mutter Courage und ihre
Kinder“, „Der gute Mensch von Sezuan“
und „Leben des Galilei“ erstmals der Öf-
fentlichkeit präsentiert.
Immer wieder war das liberale Zürich
Zufluchtsstätte für Exilanten und Flücht-
linge aus ganz Europa. Zwei der berühm-
testen hat es in die kleine Spiegelgasse
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