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hOmO pragensIs: dIe kOmplIZIerte seele des pragers
Als einen „nörgelnden Optimisten“
hat Jiří Gruša, ehemaliger Botschaf-
ter in der BRD und Österreich, den
Durchschnittstschechen beschrieben.
Die Zustände sind schlecht, aber er ist
gut und schlauer als alle anderen. So
viel Schwejk ist in jedem Tschechen -
und vielleicht braucht er das gerade
heute, da der Psychologe Petr Bakalář
so manch verirrten Zeitgenossen beob-
achtet. In seinem leider nur auf Tsche-
chisch erhältlichen Buch „Der psycho-
logische Führer durch Prag“ entwirft
Bakalář eine ironische Typologie der
Prager nach der politischen Wende:
„Barbiepuppen“, solariengebräun-
te Blondinen mit langen künstlichen
Fingernägeln, die in Shoppingzentren
anzutreffen sind, einen reichen Mann
haben und gähnende Langeweile ver-
körpern. „Babulonen“, die vorzugs-
weise in Fitnesszentren gehen, Anabo-
lika für den Muskelaufbau nehmen,
extrakurzen Haarschnitt tragen und
als modisches Accessoire einen Kampf-
hund besitzen. „Kidney-girls“, die
knappe T-Shirts tragen, um ihre Täto-
wierung im Nierenbereich zu präsen-
tieren. „Junge Konformisten“, die sich
am ausländischen Lebensstil orientie-
ren, grundsätzlich ihren Laptop dabei
haben und auch noch die kleinsten Be-
träge mit Kreditkarten bezahlen. Für
Prag typisch sind auch die unverhei-
rateten Männer, die „in den 1970ern
stecken geblieben sind“, oft bei ihren
Müttern leben und von den „guten al-
ten Zeiten“ träumen. Dann wären da
noch Männer, die keinen Sport trei-
ben, aber billige Sportklamotten und
weiße Socken tragen, in ihren Plat-
tenbauten ganze Clans gründen und
überhaupt von sich selbst denken, sie
seien „in“ - Bakalář nennt sie „die
neuen Tschechen“. Und dann gibt es
noch die Generation der „Wir bleiben
treu“-Menschen, 50 bis 60 Jahre alt,
oft in Nylonanzügen aus DDR-Zeiten
gekleidet. Natürlich will der Psycholo-
ge nicht beleidigen, sondern der post-
kommunistischen Gesellschaft nur ei-
nen Spiegel vorhalten. Aber was zeich-
net den typischen Prager wirklich
aus? Laut Statistik ist er verheiratet,
hat ein bis zwei Kinder, einen Job und
verschuldet sich für eine Eigentums-
wohnung oder ein Haus. Er schimpft
über Verkehrschaos, schmutzige Luft,
steigende Preise und Touristen - aber
sieht wie Schwejk stets optimistisch in
die Zukunft.
Die Prager haben Sinn
für Humor
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