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heime Absicht hin interpretieren lernen. Geschmeidigkeit und Ge-
schicklichkeit sind hier die Kardinaltugenden. Der Spanier Baltasar
Gracián übersetzt mit seinem berühmt gewordenen Buch Il orácu-
lo manual aus dem Jahr 1647 den politischen Pragmatismus eines
Machiavelli in die Kunst des Umgangs bei Hof.
Dem gegenüber steht der private Raum. Er ist nach außen geschlos-
sen, drinnen sind nur meine Freunde und die Familie. Die private
Unterhaltung muss geschützt werden vor den Anfechtungen der
gemeinen Welt. Hier kann man sich erholen und wieder stärken.
Hier steht nicht jede Äußerung unter dem Verdacht, eigentlich et-
was ganz anderes zu beabsichtigen. Manierierte Kultiviertheit und
die Entwicklung des »bel esprit« zwischen ehrbaren Frauen und ga-
lanten Männern bilden die Grundlage des Plauderns: Madeleine de
Scudérys Conversation sur la conversation von 1680 und die Essais
eines Antoine G. Chevalier de Méré, Nicolas Trublet oder des Abbé
de Bellegarde vertiefen dies.
Natürlich lassen sich die beiden Bereiche nicht vollständig vonei-
nander trennen, im Gegenteil. 1608 kann man mit dem Salon ei-
ner Madame de Rambouillet den Beginn der für die Konversation
entscheidenden Epoche ansetzen. Schließlich bildet ein Salon die
Schnittstelle zwischen den beiden Räumen. Hier fallen die Unver-
bindlichkeit des Öffentlichen und der Geist des Privaten zusam-
men. Man beindet sich plaudernd gleichzeitig daheim wie drau-
ßen in der Welt.
Glaubt man Madame de Staël, ist die Bedeutung der Konversation
für das ganze 17. und 18. Jahrhundert nicht zu unterschätzen. Sie
regelt nicht nur den Umgang, sondern selbst den Gang der Gedan-
ken: »Die Erindung aller Ideen ist seit über einem Jahrhundert
geleitet durch die Konversation. Man dachte, um zu plaudern, und
man plauderte, um zu gefallen. Und alles, was sich nicht sagen ließ,
schien auch für die Seele zu viel zu sein.« - Herz und Gedanken
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