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Bakterien zu inizieren! Unter Hygienegesichtspunkten ist Helen
Memel demnach unschuldiger als sie denkt. Mehr Mittelalter als
21. Jahrhundert!
Ihre Erinderin Charlotte Roche tappt jedoch in die typisch deut-
sche Authentizitätsfalle und mit ihr gemeinsam so einige wohlwol-
lende Kritiker. Repräsentativ sei hier Anika Strackes Rezension auf
www.literaturcafe.de genannt: Stracke bescheinigt der Autorin, dass
sie kein Blatt vor dem Munde nehme, dass sie Schwarz auf Weiß
das schreibe, was absolut verboten und weit entfernt von salonfähig
sei: »Bloß: Das Spektakuläre, das Schockierende ist im Prinzip das
Normalste der Welt, nur spricht man darüber nicht. Es geht um
den Körper von vorne bis hinten, aber vor allem geht es um die
Diskrepanz zwischen dem Körperlichen, also irgendwie auch Sterb-
lichen, und dem, was man so darzustellen sucht.«
Das Normalste ist das Normalste der Welt. Genau deshalb spricht
man nicht drüber, nicht weil es spektakulär oder schockierend wäre,
sondern weil es die animalische Seite unseres Daseins repräsentiert,
die ist so normal wie banal. Too much information, wie Engländer
an dieser Stelle zu sagen plegen. Aber über den Zusammenhang
von Schamgefühl und Hölichkeit sprachen wir ja bereits. Natür-
lich ist ebenfalls die Diskrepanz zwischen dem Körperlichen und
dem, was wir darzustellen suchen. Der schöne Schein eben, aber
auch das hatten wir ja bereits.
Bleiben wir daher noch ein wenig beim Ekel. Die Autorin Katherine
Ashenburg weist uns in ihrem Buch The dirt on clean darauf hin, dass
die Vorstellung von Sauberkeit immer in den Augen oder der Nase
des Betrachters läge: »Jede Kultur entscheidet für sich selbst, was sie
als die goldene Mitte zwischen schmutzig und exzessiv sauber an-
sieht.« Dumm nur, dass jeder sein eigenes Urteil für absolut selbst-
verständlich hält. Denn da sind sich alle einig: Auf dem Königsweg
sind wir selbst, auf dem Holzweg die anderen! So zitiert Ashenburg
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