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Hände längst nicht mehr in Unschuld, er ist die personiizierte
Unschuld. Ginge es nach ihm, wäre die Rückkehr in den Garten
Eden längst beschlossene Sache. Doch da hat er die Rechnung
ohne den lieben Gott gemacht, denn der ist kein großer Freund
der Perfektion. So wusste der koreanische Videokünstler Nam
June Paik zu berichten: »When too perfect, lieber Gott böse!«
Wird aus »Gesundheitsaufklärung der Ruf nach einer desinizier-
ten Gesellschaft und wird Hygiene als Mahnung vor Exzessen
selbst zum Exzess?«, wie es die Autoren Andrea und Justin West-
hoff in ihrem Beitrag »Kontrollierte Sauberkeit« auf Deutschland-
radio Kultur mutmaßen.
Der Erfolg des Romans Feuchtgebiete von Charlotte Roche aus
dem Jahr 2008 stützt die These, dass sowohl die Autorin als auch
ihre Leser der gleichen Überzeugung sind. Ein Buch, das nur lei-
denschaftlichste Zustimmung oder Ablehnung erfährt, das kein
»Okay« oder »Geht so« provoziert, muss einen gesellschaftlichen
Nerv getroffen haben. Es ist lange her, dass die Poren verschlossen
waren, doch nun in Zeiten, wo alles porentief rein ist, wird auch
der Ruf nach ihnen wieder lauter. Wo eindeutig ist, was sauber und
schmutzig ist, wo der Druck steigt, seinen Körper zu perfektionie-
ren, wo jeder nach Thymian-Orange oder Chili-Rosmarin duftet,
aber niemand nach sich selbst riecht, da drängt der Körper in seiner
natürlichsten Fassung zurück auf die Bühne!
Helen Memel, Roches Hauptigur, hält wenig von der archety-
pischen Verbindung von Schuld und Schmutz auf der einen und
Sauberkeit und Unschuld auf der anderen Seite. Außerdem ist sie
wenig daran interessiert, unschuldig zu sein. Für den »Schrubber
des Jahres«, den die Fernsehsendung Quarks & Co. für besondere
hygienische Ideen vergibt, hat sich Helen Memel deinitiv nicht
qualiiziert. Sie hat einfach nicht zugehört! Statt ihr Gesäß über
öffentliche Toilettensitze zu reiben, hätte es auch das heimische
Schneidebrett in der Küche getan, um sich mit möglichst vielen
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