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Das sollte doch selbstverständlich sein! -
Rebellion in der Seifenoper
Der wohl größte Fehler, den man im Umgang mit seinen Mit-
menschen begehen kann, scheint mir darin zu bestehen, etwas für
selbstverständlich zu halten. Und wer reisen will, der sollte einen
kritischen Blick auf den Zeitgeist ebenso sein Eigen nennen wie
den Blick über zeitliche und kulturelle Tellerränder.
So veröffentlichte beispielweise 1984 ein gewisser Heinz Commer in
seinem Buch mit dem Titel Protokoll und Etikette für Wirtschaft und
Verwaltung eine Verhaltensempfehlung, die zumindest im europäi-
schen Kulturkreis mittlerweile satirischen Charakter besitzt. So le-
sen wir dort: »Im Aufzug sollte man darauf Rücksicht nehmen, dass
manche Kollegen oder Mitbenutzer des Aufzuges rauchempindlich
sind, und unbedingt das Rauchen einstellen.« Wer kann sich heute
noch ernsthaft vorstellen, dass es tatsächlich Zeiten gab, in denen ein
Aschenbecher im Aufzug der Normalfall war? Wer sich heute allen
Ernstes eine Zigarette im Aufzug anzündete, dem würfe man auch
nicht Rücksichtslosigkeit, sondern schwere Körperverletzung vor.
Ließe aber mildernde Umstände walten, weil es sich ohne Zweifel
um einen Fall geistiger Umnachtung handelte und die Unterbrin-
gung in einer Psychiatrie die logische Konsequenz sein dürfte.
Für Europäer wiederum besitzen hingegen so manche hygienische
Phänomene satirischen Charakter, die in den USA zur Virenab-
wehr selbstverständlich sind: Sei es ein tragbarer Haltegurt für den
öffentlichen Nahverkehr, hygienische Schutzstreifen für die Griffe
am Einkaufswagen im Supermarkt, ein Halter für Zahnbürsten, der
in der Lage ist, ultraviolettes Licht zur Tötung von Bakterien ab-
zusondern, oder Fluor im Trinkwasser zur Vorbeugung von Karies.
Schlank, gesund, antibakteriell, klinisch, formvollendet. Streng
gegen sich und andere! Der puritanische Rationalist wäscht seine
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