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Umwelt: Ein Land erstickt im Dreck
Naakesh und Saagar leben von Müll. Noch vor Sonnenaufgang ste-
hen die beiden Brüder auf, um nach Metall zu suchen, nach Kunst-
stoff, Glas. Nach allem, was sie zu Geld machen können.
Ihr Revier ist riesig. Vor Delhi türmen sich gigantische Müllberge,
um 4 000 Tonnen Dreck wachsen sie jeden Tag. Um ihr Pensum zu
schaffen, rennen die Jungs von Müllhalde zu Müllhalde. Ihre Kon-
kurrenz ist groß, allein in Delhi verdienen 250 000 Menschen mit
dem Wühlen im Abfall ihr Geld. Jede Minute, in der sie nicht su-
chen, gilt als verloren. Abends verkaufen Naakesh und Saagar, 15 und
17 Jahre alt, ihre Funde an Altwarenhändler oder kleine Fabriken. An
einem guten Tag nehmen sie siebzig Rupien ein - einen Euro.
Über 188 Millionen Tonnen Müll produziert Indien jeden Tag. Ein
funktionierendes System für seine Verwertung gibt es nicht. Der
Abfall wird nicht verbrannt oder recycelt. Er sammelt sich an. An-
dere Staaten Asiens verwandeln ihren Unrat in Elektrizität. China
etwa will bis 2015 drei Gigawatt Strom aus seinem Großstadtmüll
gewinnen. Auch Malaysia, Indonesien und Thailand machen Fort-
schritte. Nur Indien will das nicht gelingen.
Das liegt zum einen an der schlechten Planung. Eine der sechs neu
erbauten Müllverbrennungsanlagen funktioniert, technische Feh-
ler legen die anderen lahm. Es liegt aber auch am Müll selbst: Er
besteht zu 47 Prozent aus Wasser. Während Bewohner entwickel-
ter Staaten gern Verpackungen und Papier wegwerfen, landet im
Müll ärmerer Länder viel Selbstgekochtes. Indiens Müll brennt also
schlecht. Hauptgrund für die fehlende Entsorgung ist laut Exper-
ten allerdings Indiens Bürokratie. »Gute Planungen verschwinden
einfach im Chaos der Behörden«, sagt Kumal Sivaprasad, der seit
Jahrzehnten »Waste-to-Engergy«-Anlagen bauen will. Weil er im-
mer wieder scheiterte, baut er sie jetzt in Malaysia.
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