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ren Tempeln und daher an den Tod. Das mag grundsätzlich stim-
men. Zugleich macht die Inständigkeit dieser Appelle mitunter
glauben, im Falle einer Nichtbeachtung regelrecht eine Todsünde
zu begehen. Eine solche Angst ist unbegründet. Vielleicht wird
ein aufmerksamer Nachbar seinen Tischkollegen aus dem Wes-
ten freundlich über die Unüblichkeit seiner Aktion aufmerksam
machen. Atmosphärische Konsequenzen wird dergleichen nicht
haben. Außerdem sind die Chinesen bei Ausländern besonders
nachsichtig und beschenken sie in Fragen des Umgangs mit ei-
nem »Ausländerbonus«, daran könnten wir uns in Europa öfter
ein Beispiel nehmen.
Ebenso wenig ist die Wahl von Stäbchen als Aufpickwerkzeug in
Stein gemeißelt. In der Regel wird man als Westler in Restaurants
oder vom Gastgeber gefragt, ob man westliches Besteck bevorzugt.
Wenn dem so ist, wird das keineswegs als Schande gewertet.
Unhölich sind in den Augen von Chinesen jene Ausländer, die sich
zwar im Vorfeld mit den Geplogenheiten auseinandergesetzt ha-
ben und diese anzuwenden versuchen, letztlich aber in sich gekehrt
am Tisch sitzen und still vor sich hin essen. Essen ist in China keine
ernste Sache, man darf und soll dabei aktiv durch Kommunikati-
on und Interaktion - einmal sei es noch erwähnt - die Harmonie
fördern.
Das Konzept des Gesicht-Gebens bezieht sich übrigens nur auf
Gruppen, also ab einer Zusammenkunft von drei Personen. Dar-
unter spielt es keine Rolle, weshalb man mit Chinesen in Vierau-
gengesprächen generell offener kommunizieren kann. Das betrifft
vor allem die sogenannten »Tabuthemen«, mit denen in erster Linie
Fragen zur chinesischen Politik gemeint sind. Chinesen diskutieren
untereinander sehr wohl über die politischen Verhältnisse und be-
ziehen dabei durchaus kritisch Stellung. Der eigene Hausverstand
sollte einem aber sagen, dass man sich als Ausländer in einer chine-
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