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fen durchaus geschäftliche Interessen zugrunde liegen. Die Plege
von »Gu ǎ ngx ī «, des persönlichen Netzwerks, ist in China wichtiger
als bei uns. In einem Land, in dem man sich auf die soziale Absi-
cherung durch den Staat nicht allzu sehr verlassen kann, spielen
persönliche Beziehungen eine bedeutende Rolle. Chinesen sind ihr
Leben lang bestrebt, ihr Netzwerk zu erweitern und zu plegen. Es
durchdringt sowohl das Privat- als auch das Geschäftsleben.
Am Tisch sitzen Vertreter der geistigen Führerschaft Nanjings. Vie-
le beherrschen Englisch, einer spricht sogar Deutsch. Sie alle haben
aufgrund ihres Berufs oder ihrer Stellung eine nicht zu unterschät-
zende Multiplikatorenfunktion, darunter die quirlige Präsidentin
eines Society-Clubs, ein TV-Redakteur und ein international täti-
ger Geschäftsmann. Ein Paar hat seine Tochter im Grundschulalter
mitgebracht, die trotz ihrer aufgeweckten Natur bemerkenswert
gute Manieren an den Tag legt.
Das Mittagsmahl fällt viel »gesitteter« aus, als ich angenommen
hatte. Es wird in gemäßigter Lautstärke gesprochen und, was mich
noch viel mehr überrascht, es ist weder ein Schmatzen noch ein
Schlürfen zu vernehmen. Häuig ist in deutschen Ratgebern zu le-
sen, dass es in China durchaus üblich, ja gar erwünscht sei, beim
Essen derartige und angeblich anerkennende Geräusche von sich
zu geben. Das ist eine Mär. Es stimmt zwar, dass Schlürfen ge-
schmacksfördernd wirkt - das wird jeder Weinfreund bestätigen -,
aber nobel ist das nicht einmal in China. Im Alltagsleben zwar noch
durchaus häuig zu beobachten, entspricht ein derartiges Verhalten
deinitiv nicht der chinesischen Etikette.
Die Anwesenden hieven sich mit ihren Stäbchen das Essen von den
zahlreichen Gerichten auf der Glasplatte vor ihnen auf ihre Teller.
Sie verwenden dabei dieselben Stäbchen, mit denen sie sich das
Essen anschließend zum Mund führen. Eine gewöhnungsbedürfti-
ge Sitte, gerade in Hinblick auf die Hygiene. Mir fällt bei näherer
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