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thers war eine der ersten Frauen in Tom Price. Sonnengebleichtes Haar um-
rahmt ihr hageres, ledernes Gesicht. Ihre ruhelosen Hände sind rau und von
Nikotin verfärbt. Yvonne Stothers hat über 30 Jahre in der Wüste der Pilbara
gelebt. Achtzehn Monate verbrachte sie mit ihren zwei kleinen Kindern in ei-
nem winzigen Wohnwagen mitten im roten Staub. »Meine Kinder waren da-
mals zwei und drei Jahre alt. Es war sehr, sehr heiß, oft weit über 45 Grad
im Schatten, und wir hatten keinen Strom, daher auch keine Klimaanlage oder
auch nur einen Ventilator.« Yvonne spannte Segeltücher über den Wohnwagen,
um etwas Schatten zu gewinnen und rieb ihre Kinder abends mit Essigwasser
ein. »Das kühlt. Dann kann man besser schlafen. Aber der Wohnwagen roch
immer wie ein Glas saure Gurken!« Yvonne Stothers lächelt wehmütig. Sie hat
Tom Price mit aufgebaut. Mit ihrem Mann zog sie in das erste Minenhäuschen
der Siedlung. Sorgfältig bewässerte sie Blumen und Bäume, die sie im roten
Staub gepflanzt hatte, mit kostbarem Wasser aus tiefen Bohrlöchern. Sie grün-
dete die erste Frauengruppe, ein überlebenswichtiges Bündnis für die Handvoll
Ehefrauen, die ihren Männern in die Wüste gefolgt waren.
Die Familien waren völlig abhängig von der Company . Ihre Häuser, das ein-
zige Geschäft, in dem man Nahrungsmittel und Kleidung kaufen konnte, der
kleine Pub, die »Essensmesse« für die alleinstehenden Arbeiter, Wasser und
Strom gehörten der Company , der sogenanntne »linken Hand Gottes«. Die
Löhne der Arbeiter waren hoch, doch sie konnten oft nur wenig dafür kaufen.
Jahrelang lebten die ersten Familien von gefrorenem Fleisch und Dosengemü-
se. Frisches Obst war ein fast unvorstellbarer Luxus. Wenn der Minenzug mit
der monatlichen Lebensmittellieferung ankam, rannten die Frauen zum Bahn-
gleis. »Wir haben uns manchmal wirklich um ein paar Äpfel für unsere Kinder
geprügelt.«
Als Tom Price wuchs und eine Schule bekam, half Yvonne in der Schulbi-
bliothek aus. Sie wurde die erste gewählte Vertreterin der neuen kleinen Stadt.
Heute ist sie dort nur noch ein Gast. Sie und ihr Mann waren engagierte Ge-
werkschafter. Die Unions sorgten für verbesserte Arbeitsbedingungen, kürzere
Arbeitszeiten und hohe Löhne. Doch die Gewerkschaften waren oft zerstritten.
Das erleichterte ihre weitgehende Zerschlagung in den 1990er Jahren. Die kon-
servative Regierung des australischen Premierministers John Howard förderte
sogenannte »individuelle Arbeitsverträge«, die bei den großen Bergwerksunter-
nehmen Australiens heute die Regel sind. Yvonne Stothers' Mann, der über 30
Jahre lang in Tom Price gearbeitet hatte, weigerte sich verbittert, seinen Ver-
trag zu unterschreiben. Mit seinem Arbeitsplatz verloren die Stothers auch ihr
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