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chen. Sie landeten im damals noch verschlafenen Melbourne in der neuen Kolo-
nie Victoria. Innerhalb von zwei Jahren wuchs die Bevölkerung Victorias von 77
000 auf 540 000 Menschen. Bald entstanden dort und in den kleineren Gold-
rauschzentren Ballarat und Bendigo opulente Theater, Villen und Landhäuser
mit Parks und gepflegten Gartenanlagen. 1871 hatte sich die Bevölkerung der
Kolonien von 430 000 auf 1,7 Millionen Menschen verdreifacht. Die Wirtschaft
boomte.
Mit dem Geld des Goldrauschs stieg eine neue Klasse auf. Vertreter der alten
britischen Aristokratie, die sich auch in Victoria als herrschende Klasse ver-
stand, mussten ihre vornehmen Stadtviertel, Clubs, Rennbahnen und Privat-
schulen plötzlich mit dem neureichen Geldadel teilen. Einige davon stammten
gar von Sträflingen ab. Denn auf den Goldfeldern selbst waren alle Goldsucher
gleich, egal, woher sie kamen. Sie alle waren Diggers , die in der Erde wühlten,
um Gold zu finden. Sie alle hatten einen gemeinsamen Feind, die Polizei, die die
staatlichen Lizenzgebühren für die sorgfältig abgesteckten Claims der Goldgrä-
ber einsammelte und oft korrupt handelte. 1854 hatten rund tausend Diggers
genug davon. Sie sammelten sich in Eureka, am Rande von Ballarat, verschanz-
ten sich hinter einer Barrikade, entfalteten eine eigene Flagge mit dem Kreuz
des Südens und schworen, ihre Rechte und ihre Freiheit zu verteidigen.
Unter den Rebellen waren Iren, Schotten, ein Italiener und ein preußischer
Republikaner. Sie verlangten ein gerechteres Lizenzsystem, die Bekämpfung
der Korruption und politisches Mitspracherecht. Stattdessen schickten die Be-
hörden Polizeinachschub aus Melbourne, der die Barrikaden überrannte. 22
Rebellen starben dabei. Doch keiner der Überlebenden wurde verurteilt, und
ein Jahr später zog der Anführer der Rebellen in das Kolonialparlament in Mel-
bourne ein. Die Eureka Stockade gilt noch heute als Beginn einer Bewegung hin
zu einer demokratischen und egalitären Gesellschaft. Diese Bewegung schloss
in der Realität allerdings die 40 000 chinesischen Goldsucher auf den Goldfel-
dern aus.
Die Hochzeit des Goldrauschs war auch die Hochzeit der Bushranger , der
australischen Banditen und Gesetzlosen, die im Outback verschwanden und
von dort aus Überfälle auf Kutschen, die neue Dampfeisenbahn und Goldtrans-
porte verübten. Viele von ihnen wurden von der Bevölkerung versteckt, vor al-
lem von ehemaligen Sträflingen, die das englische Justizsystem der Kolonien
nur zu gut kannten und verachteten.
Der berühmteste Bushranger , Ned Kelly, wurde Australiens größter Volks-
held, den noch heute jedes Kind im Geschichtsunterricht kennenlernt. Sein fas-
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