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zinierender Mythos wurde der staunenden Welt 1970 in einem sehr schlech-
ten Film mit Mick Jagger und 2003 in einer weitaus besseren Produktion mit
Heath Ledger nahegebracht. Ned Kelly war der Sohn eines irischen Sträflings,
der 1842 nach Australien verschifft worden war, weil er zwei Schweine gestoh-
len hatte. Der Vater überlebte sechs Jahre Strafkolonie und heiratete die blut-
junge und äußerst willensstarke Ellen Quinn, Tochter eines großen Clans iri-
scher Einwanderer. Die Kellys und Quinns und ihre zahlreichen Kinder mühten
sich auf kleinen, ihnen zugewiesenen Landparzellen außerhalb von Melbourne
ab. Um das Land behalten zu dürfen, mussten sie Weizen anbauen. Wer heu-
te einen Blick auf die Parzelle der Kellys im kleinen Ort Greta wirft, erkennt
schnell, dass das Land mit sumpfigen Flussufern, Sand und karstigem Gestein
dafür ungeeignet war.
Das beste Land in der Umgebung hatten sich jedoch schon lange vorher die
Squatters , der englische Landadel, angeeignet. Die irischen Kellys wurden von
ihnen mit Misstrauen betrachtet und von der Polizei schikaniert, erzählte mir
Richard Waterhouse, ein leicht exzentrischer Historiker an der Universität von
Sydney, der sich vor allem für das Leben und die Kultur der Unterschichten der
Kolonien interessiert. »Im 18. und 19. Jahrhundert bestand in Australien eine
tiefe Feindschaft zwischen Engländern und Iren. Die Gouverneure der ersten
Kolonien rauften sich verzweifelt die Haare, als sie hörten, dass die Krone po-
litische irische Gefangene nach Australien schicken würde. Sie betrachteten sie
mehr als Tiere denn als Menschen und beschuldigten sie jeglicher Verbrechen,
die in Australien begangen wurden.«
Immer wieder saßen der kleine Ned und seine Geschwister in Untersu-
chungshaft, meistens, aber nicht immer, ungerechtfertigt. Mit zwölf Jahren
wurde Ned das Oberhaupt seiner Familie. Sein Vater war nach einem langen
Gefängnisaufenthalt körperlich geschwächt gestorben. Mit 16 Jahren landete
Ned wieder einmal wegen Pferdediebstahls im Gefängnis, diesmal eindeutig
unschuldig, denn er war zum Tatzeitpunkt bereits wegen einer anderen Straftat
in Untersuchungshaft. Den englischen Richter hielt das nicht davon ab, Ned
Kelly zu drei Jahren Schwerstarbeit zu verurteilen. Er kannte Neds Ruf als Mit-
glied des Greta Mobs , einer Gruppe wilder Teenager, die halsbrecherisch auf
ihren und einigen »geliehenen« Pferden durch die Gegend rasten, tagelang im
australischen Busch unterwegs waren und sich zum Abendessen ab und an ein
Kalb oder Schaf stahlen.
Ned verbrachte die Zeit hinter Gittern mit den übelsten Kriminellen seiner
Zeit. Als er entlassen wurde, war er ein erwachsener Mann mit geraden, buschi-
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