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Bei unserem letzten Ritt begleiteten Johns Enkelsöhne und drei professio-
nelle Drover oder Stockmen aus dem Norden unsere kleine Gruppe. Am ersten
Tag ritten wir fast sieben Stunden lang bis zu unserem Base Camp auf einem
Hochplateau der Snowies . Die Pferde wanderten in einer langen Reihe mit rela-
tiv weiten Abständen auf schmalen Pfaden durch dichtes Unterholz und Euka-
lyptuswälder. Menschen und Tiere mussten sich konzentrieren, Ästen auswei-
chen, über gefallene Bäume steigen, Furten durchqueren. Es wurde kaum ge-
sprochen. John Rudd ritt mit seinen beiden Enkeln auf ihren Ponys an der Spit-
ze. Ab und zu zeigte er wortlos auf einen besonders schönen Ausblick, auf Adler,
Kängurus, Wombats, Dingos und eine uns alle begeisternde Herde Brumbies ,
wilder Pferde.
Die Drovers in ihren mitgebrachten eigenen Sätteln bildeten die Nachhut
und hielten einen achtsamen Blick auf die kleine Gruppe der Cityslickers in der
Mitte. Alle trugen die Uniform der Mountain Men: lange, braunfleckige Ölmän-
tel, breitkrempige Akubrahüte, Jeans und knöchelhohe Stiefel. Alle schwiegen,
bis auf einige kurze Hinweise für uns Amateurreiter in der Mitte. Abends halfen
sie freundlich, aber wortlos beim Errichten des Camps, lachten einmal laut, als
das Toilettenzelt über einem von uns Anfängern zusammenkrachte, und setz-
ten sich schweigend mit ein paar Dosen Bier ans Lagerfeuer. Nur John, unser
Gastgeber, wurde etwas gesprächiger. Er fragte uns nach unseren Jobs, wie viel
wir ritten, aus welchen Ländern wir kämen und wie dort geritten würde. Dann
schwieg er wieder.
Es war angenehm still. Der Wind rauschte, Insekten summten, die Pferde
schnaubten auf ihrer provisorischen Koppel nebenan, ab und zu rief eine Eule.
»Dann woll'n wir mal«, murmelte einer der Mountain Men und stand mit sei-
nen Freunden auf. »Gute Nacht«, antworteten wir im Chor. Die drei Drovers
wanderten zu ihren Swags , eine Art Schlafsack mit eingebauter Matratze, wi-
ckelten sich in ihre Decken, die Hüte über das Gesicht gezogen, und schliefen.
John zitierte ein paar Verse aus der berühmten Ballade »The Man from Snowy
River« von Banjo Paterson. Seine Stimme klang voll und rhythmisch durch die
Nacht. Dann gingen er und seine Enkel auch schlafen. Die Nacht verlief ru-
hig, bis auf den Augenblick, an dem sich eine kleine Buschratte in das Zelt von
meiner Tochter und mir verirrte. Unser Gequietsche und das Wedeln unserer
Taschenlampen auf der Suche nach dem panisch herumrasenden Nager verur-
sachten lautes Kichern in Zelten und Swags nebenan. Doch als ich das Tierchen
samt dem Reitstiefel, in den es sich geflüchtet hatte, aus unserem Zelt warf,
kehrte wieder Ruhe ein.
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