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Am nächsten Morgen weckten uns Rauch und Kaffeeduft. Ich lugte aus dem
Zelt. Im Morgennebel standen die Mountain Men in ihren langen Mänteln und
Hüten um das Feuer herum. Sie wärmten ihre Hände an ihren Blechbechern
und führten angeregte Konversation: »Nice cool day today«, murmelte einer.
»Yep«, »yep«, »yep«, murmelten die anderen durch fast geschlossene Lippen.
Langes Schweigen. Männer und Kinder tranken ihren Kaffee und Tee, nickten
bedächtig. »Should be a good ride«, posaunte ein offensichtlich redelustiger
Mountain Man heraus. Die anderen nickten. Ein Enkel wagte ein leises »Yep«.
Sein Bruder sah ihn vorwurfsvoll an. Schweigen.
»Dann wollen wir mal«, sagte John. Die Mountain Men stellten ihre Tassen
ab, rollten ihre Swags auf und gingen zu den Pferden hinüber. Der Rest des
Camps beeilte sich aufzustehen. An diesem Tag führte uns John bis auf den
Gipfel unseres Bergs. Auf einer Lichtung, umgeben von verkrüppelten, fast am
Boden kriechenden Snowgums , breitete er seine Arme aus. »Das sind sie, die
Snowy Mountains!« Bis an den Horizont erstreckten sich rundum silbrige Wie-
senflächen, grüngraue Bergkuppen mit weißen, karstigen Felsen. Dazwischen
glitzerten Schneefelder. Johns sonnengegerbtes, von zahlreichen Linien durch-
zogenes Gesicht mit den hellen Augen strahlte vor Stolz. Die Drovers murmel-
ten anerkennend. Wir Touristen machten Fotos. John teilte uns in zwei Grup-
pen auf. Anfänger blieben in der Obhut seiner Nichte und des Kochs.
Hannah, eine Dressurreiterin aus Melbourne, und ich hatten die Ehre, mit
John, den Enkeln und den Mountain Men zu reiten. Wir gelangten an eine
Hochebene. Am anderen Ende der kilometerlangen Wiese stand ein einsamer
Baum. »Last one is a rotten egg!«, schrie John plötzlich, riss seine geliebte Falb-
stute herum und raste davon. Sein Körper schien bewegungslos über dem kraft-
voll explodierenden Pferdeleib. Mit seiner rechten Hand schwenkte er lachend
seinen zusammengeknüllten Hut. »Cooooooeeee«, schrie es zu meiner Rechten,
und die Mountain Men donnerten an uns vorbei, gefolgt von den beiden Jungen
auf ihren rasenden Ponys. Wir ließen unsere Pferde los. Ein schneidend kalter
Wind trieb mir Tränen in die Augen. Die Welt flog an uns vorbei. Mein Wal-
lach bewegte sich kraftvoll und sicher in riesigen Sprüngen. Neben mir flatterte
das Haar meiner Tochter. Ihr kleiner Araber streckte sich. Die Dressurreiterin
vergaß alle Regeln, hing tief gebeugt über ihrem Pferd, das schnaubte und vor
Freude austrat. Lachend und schwitzend erreichten wir den Baum. John grinste
schief, fast verlegen. »Keine schlechte Galoppstrecke, wie?« Der Rest des Tags
war Schweigen.
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