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nem Fahrrad voranzukämpfen. Wir öffneten das Fenster ein ganz klein wenig,
und mein Mann rief: »Want a lift?« Der Mann im Insektenhagel nickte, depo-
nierte sein Fahrrad im Straßengraben und sprang, ihm folgende Heuschrecken
erschlagend, ins Auto. Es stellte sich heraus, dass er der neue Pfarrer von Gular-
gembone war, der ein Gemeindemitglied besucht hatte und auf dem Rückweg
von den Heuschrecken überrascht worden war. »Geradezu biblisch!«, meinte er
grinsend. Er riet uns, in Gulargembone zu übernachten. Wir setzten ihn vor sei-
ner Kirche ab und fuhren die einzige Straße herunter zum »Hotel«, einer Knei-
pe mit Laden und Tankstelle.
Wir traten in den kühlen Schatten der Bar. Vier oder fünf Männer lehnten
am langen Tresen. Auf dem Fernsehschirm darüber liefen Pferderennen. Vor-
her hatte ein Mann sein Pferd laut angefeuert. Nun herrschte Schweigen. Fünf
Männerköpfe drehten sich nach uns um. Augen unter verschwitzen, breiten Hü-
ten musterten uns von oben bis unten. Wir musterten sie: blaue Unterhemden,
Shorts, haarige Beine, Socken in knöchelhohen Stiefeln, alles von feinem, ro-
tem Staub überzogen. Die Köpfe drehten sich wieder zur Bar, Ellbogen lehn-
ten sich auf den Tresen, Stiefel wechselten die Position auf der langen Fußstan-
ge, die sich unten an der Bar entlangzog. Augen richteten sich wieder auf das
Pferderennen. Ein Mann bestellte zwei weitere große Gläser eiskaltes Bier. Der
Wirt kam aus der Küche, sah uns an. Mein Mann bestellte ein Bier. Ich fragte
naiv nach einem großen Glas Limonade oder Milch. Die Köpfe neben uns fuh-
ren wieder herum. Erneutes erwartungsvolles Schweigen. Der Wirt sagte kurz:
»Haben wir hier nicht. Die Dame möchte vielleicht in den Ladies' Parlour ne-
benan?« Er deutete auf eine halb geöffnete Tür. Wir traten durch die Tür in
einen hellen, warmen, aber klinisch sauberen Raum mit ein paar Tischen und
Stühlen. An einem Tisch saßen zwei ältere Damen in weißen Kleidern, Hüten
und Handschuhen, die Kleidung für Lawnbowls, einem bei älteren Australi-
ern sehr beliebten Sport, wie mir mein Mann später erklärte. Sie tranken Tee
aus Plastiktassen, schenkten sich aber gegenseitig aus einem feinen silbernen
Kännchen ein. Sie lächelten freundlich. Wir lächelten und grüßten. Sie grüßten
zurück. Wir setzten uns gerade an einen Tisch, als sich eine Klappe in der Wand
öffnete. Der vorher so barsche Wirt strahlte uns an: »Was kann ich für die Da-
me tun?« Wir bestellten Tee und ein Bier für meinen Mann und das, wie sich
herausstellte, einzige Hotelzimmer.
Die Nacht war die heißeste unseres Lebens: Im Zimmer waren es mindestens
40 Grad. Nebenan hörten wir eine Klimaanlage rauschen, aber das Gästezim-
mer erreichte sie nicht. Die ganze Nacht wanderte ich todmüde zwischen Du-
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