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und Ritterlichkeit spielten bei den Johanni-
tern zusehends eine geringere Rolle. Als Na-
poleon Bonaparte 1798 auf seinem Ägypten-
feldzug vor dem Grand Harbour stand und
die Johanniter ultimativ zur Kapitulation auf-
forderte, war von ritterlicher Verteidigungs-
bereitschaft kaum die Rede. Hinzu kam, dass
ein Großteil der Ritter französischstämmig
war und einen „Bruderkrieg“ ablehnte (die
Ordensregeln verboten ohnehin einen
Kampf gegen Christen). Doch die Revolution
hatte nicht nur moralische, sondern für die
Johanniter auch existenzielle Folgen: Das
französische Direktorium (Revolutionsrat)
enteignete alle Großgrundbesitzer - und der
Orden war einer der größten!
Die Johanniter wurden daher automatisch
als Staatsfeinde eingestuft, General Bonapar-
te per Dekret vom 12.4.1798 beauftragt, „Be-
sitz von der Insel Malta zu ergreifen“. Dem
(einzigen) deutschen Großmeister Ferdinand
von Hompesch blieb daher aus Vernunftgrün-
den kaum etwas anderes übrig, als am 11. Ju-
ni 1798 formell zu kapitulieren. Sein Verhal-
ten wird zumeist als unritterlich und feige be-
schrieben, letztlich sollte jedoch die Tatsa-
che, dass die Krise unblutig beendet wurde,
ein gewisses Gewicht finden.
Napoleon blieb eine knappe Woche auf
Malta, die zurückbleibenden Besatzungstrup-
pen versuchten rigoros, die französischen
Interessen durchzusetzen. Die Università
wurde aufgelöst, zur Finanzierung von Revo-
lution und Ägyptenfeldzug wurden die Kunst-
schätze der Kirchen und Paläste geplündert.
Unter der maltesischen Bevölkerung
machte sich rasch Unmut breit, man war of-
fensichtlich vom Regen in die Traufe gekom-
men. Der Erzrivale Frankreichs, England, wur-
de um Hilfe gebeten und eine Blockadeflotte
unter der Leitung von Alexander Ball zusam-
mengestellt. Als die Franzosen im August
1800 die Kathedrale von Mdina plünderten,
kam es zu dem berüchtigten Fenstersturz
von Mdina, wobei der französische Kom-
mandant, General Masson, getötet und der
Aufstand gegen die Franzosen begonnen
wurde. Mit Hilfe der englischen Blockade-
truppen gelang es schließlich, die Franzosen
am 5. September zur Kapitulation und zum
Abzug zu bewegen. Malta schien frei ...
Kolonie des
British Empire (1800-1964)
Nach dem Abzug der Franzosen im Septem-
ber 1800 besetzten die Engländer Malta.
Gleichzeitig verlangte die Bevölkerung ein
Mitspracherecht, die zuvor aufgelöste Uni-
versità organisierte sich neu, und schließlich
forderten auch Johanniter aus ihrem russi-
schen Exil die Rückgabe der Inseln. Tatsäch-
lich wurde im Frieden von Amiens (1802)
die Rückgabe Maltas an den Orden vertrag-
lich festgelegt und von den europäischen
Großmächten garantiert. Inzwischen war
aber Zar Paul I., der Schutzherr und Gönner
der Johanniter, 1801 gestorben; die Ritter
kehrten in ihre Heimatländer zurück, der Or-
den war in Auflösung begriffen.
Die Umsetzung der vertraglichen Bestim-
mungen scheiterte daher, die Briten blieben
unter dem mittlerweile als Gouverneur ein-
gesetzten Alexander Ball in Malta. Dieser Zu-
stand wurde 1814 im Frieden von Paris be-
stätigt und die Inseln als britische Kolonie
endgültig anerkannt. Neuer Gouverneur
wurde Sir Thomas Maitland, der die Verwal-
tung reformierte und die Università endgül-
tig auflöste.
Bis 1849 erhielt Malta eine eigene Verfas-
sung, wonach eine gewisse Pressefreiheit,
Mitbestimmung am politischen Entschei-
dungsprozess sowie die Besetzung lokaler
Verwaltungsämter durch Malteser gewährt
wurde.
Mit der Eröffnung des Suezkanals 1869
wurde Malta für die Briten zur bedeutenden
Schaltstelle auf dem Weg vom Mutterland
zur Kanalzone und weiter zu den Kolonien.
Der Grand Harbour wurde ausgebaut, 1870
die Verteidigungslinie der Victoria-Lines quer
durch Malta errichtet, 1890 eine Eisenbahnli-
nie von Valletta nach Rabat gebaut. Die Wirt-
schaft florierte, 1887 kamen politische Frei-
heiten wie aktives und passives Wahlrecht zu
Exekutive und Legislative hinzu. Malta boom-
te im gesamten 19. Jh., sodass sich die Bevöl-
kerungszahl in der zweiten Hälfte des 19. Jh.
auf 180.000 verdoppelte.
Ein erster Einbruch folgte 1914-1918 wäh-
rend des Ersten Weltkrieges. Malta war
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