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sogar schon bevor ich überhaupt auf diese Tour gegangen bin. Aber ich bin auch irgend-
wie neugierig zu erfahren, wie er das heikle Thema Trinkgelder anpacken will. Denn ich
glaube, dass das auch viel über den Charakter meines Guides aussagt und so ziehe ich es
deshalb erst einmal vor, den Unwissenden zu spielen. Gasper hat darauf natürlich nur ge-
wartet. Mit süffisantem Grinsen und dem irren Blick eines Großwildjägers, der seine Beute
fest im Fadenkreuz hat und gedanklich bereits die Trophäe über dem Kamin aufhängt,
präsentiert er mir selbstbewusst seine Entscheidungshilfe: Ein kleiner Notizzettel mit sein-
en Vorschlägen, den er mit einer dynamischen Handbewegung aus seiner Jackentasche za-
ubert und mir unter die Nase hält.
• Gasper (Guide): 25-30 US-Dollar pro Tag
• Juma (Koch): 15-20 US-Dollar pro Tag
• Hasani (Bedienung): 12-15 US-Dollar pro Tag
• Japhet (Träger): 10-12 US-Dollar pro Tag
• Wilson (Träger): 10-12 US-Dollar pro Tag + 30 $ extra für das Tragen der Torte
Wow. Guide Gasper hat es faustdick hinter den Ohren. Das stolze Ergebnis seines Vorsch-
lages: 462 US-Dollar. Beziehungsweise 564 US-Dollar, wenn ich mit dem Team sehr zu-
frieden bin, wie er mir bereitwillig und mit einem kurzen Augenzwinkern zu verstehen
gibt.SelbstfüreineGruppeKlienten,diesichdasTrinkgeldaufteilt,einestattlicheSumme.
Und obwohl ich weiß, dass gerade die Träger größtenteils von den Trinkgeldern leben,
finde ich es eine bodenlose Frechheit. Ich bin regelrecht beleidigt, weil ich mich nicht gern
verarschen lasse. Nicht einmal die eigene Vereinigung „Kilimanjaro Porters“ ist so unver-
schämt und wedelt mit solch utopischen Zahlen um sich. Entweder denkt er, ich bin total
blöd, bin Rockefeller oder beides zusammen. Jedenfalls mache ich gute Miene zum bösen
Spiel,nehmeseinenZettel höflichanmichunderkläreihm,dassicheineNachtdrübersch-
lafen möchte. Normalerweise würde ich mich leicht angesäuert und mit einem faden Bei-
geschmack in meinen Schlafsack verziehen. Aber nicht heute. Heute ist mein Geburtstag.
Heute stand ich auf dem Gipfel des Kibos . Heute werde ich mir diesen besonderen Tag
bestimmt nicht vermiesen lassen. Nicht von Guide Gasper und erst recht nicht von ein paar
lausigen Dollar. Stattdessen mache ich es mir in meinem Zelt gemütlich und grinse breit in
mich hinein. Grinse beim Gedanken an meine außergewöhnliche Tour am Mount Kiliman-
jaro, die zur unerwarteten Tortur, einer echten Zerreißprobe wurde und die jetzt in meinem
Zelt, eingebettet zwischen zwei Rucksäcken und im Rhythmus der flackernden Taschen-
lampe an der Decke, langsam ihrem Ende entgegen schunkelt.
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